Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. alternative Krebsbehandlung. keine Leistungspflicht für kombinierte Hyperthermie- und Lasertherapie bei nicht operablem metastasierten Pankreaskarzinom. Verfassungsrecht
Orientierungssatz
1. Bietet die Schulmedizin bei einer Krebserkrankung nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, so kommt eine Alternativbehandlung zu Lasten der Krankenversicherung nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Hierzu ist eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung bzw eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Einzelfall erforderlich (vgl BVerfG vom 26.2.2013 - 1 BvR 2045/12 und BVerfG vom 23.3.2007 - 1 BvR 623/07).
2. Bei einem nicht operablen metastasierten Pankreaskarzinom besteht eine mittlere Restlebenserwartung von ca sechs Monaten. Eine kurative Therapie gibt es derzeit nicht.
3. Ein sog ganzheitliches Therapiekonzept mit Hyperthermie- und Laserbehandlung ist als neue Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss bisher nicht anerkannt. Es fehlen darüber hinaus Indizien, dass diese Versorgung bei einem Pankreaskarzinom einen über die palliative Standardtherapie hinausgehenden Erfolg zeitigen könnte (vgl BVerfG vom 26.2.2013 - 1 BvR 2045/12). Damit ist eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.09.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Das Sozialgericht (SG) hat es mit dem Beschluss vom 21.09.2015 zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig die gesamten Kosten der vom Antragsteller bei Dr. X im Hyperthermiezentrum in I durchgeführten ganzheitlichen Therapie zu übernehmen.
Zutreffend hat das Sozialgericht einen Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07) verneint.
Das "ganzheitliche Therapiekonzept" des Dr. X unter Einschluss namentlich von Hyperthermie- und Laserbehandlung ist als neue Behandlungsmethode bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht anerkannt worden. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung gemäß § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V vor. Das hat das Sozialgericht ebenso zutreffend wie eingehend näher dargelegt, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Gründen des angefochtenen Beschlusses Bezug nimmt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Auch das Beschwerdevorbingen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, kann nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären (vgl. BSGE 97, 190 (201); s.a. Senat, Urteil vom 27.03.2014 - L 16 KR 23/12). Bereits aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich, dass hinsichtlich der therapeutischen Ziele der Krankenbehandlung zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden differenziert wird. Dabei ist nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind (vgl. bereits BSGE 78, 70 (85)). Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013 - 1 BvR 2045/12 und Beschluss vom 23.03.2007 - 1 BvR 623/0...