Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenkasse für eine biologisch-alternative Krebstherapie
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB 5 umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen, § 2 Abs. 1 S. 3 SGB 5.
2. Die Hyperthermiebehandlung bzw. die Galvanotherapie als sog. biologisch-alternative Krebstherapie ist als neue Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach §§ 92 Abs. 1, 135 Abs. 1 SGB 5 nicht anerkannt.
3. Anhaltspunkte für ein Systemversagen bestehen nicht. Der GBA hat die Tiefentherapie als vertragsärztliche Leistung ausdrücklich verboten.
4. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, so kommt eine Alternativbehandlung zu Lasten der Krankenversicherung nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht aus (BVerfG vom 26. 2. 2013, 1 BvR 2045/12).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.01.2018 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten einer zwischen 2014 und 2019 durchgeführten sogenannten biologischen/alternativen Krebstherapie seiner verstorbenen Ehefrau hat.
Die im Jahr 1961 geborene und am 00.00.2019 gestorbene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte I L (nachfolgend: Versicherte) erkrankte im Jahr 2010 erstmals an einem ductal invasiven Mammakarzinom rechts. Es erfolgte zunächst eine brusterhaltende Operation mit Entfernung der Lymphknoten. Eine adjuvante Therapie (Chemotherapie, antihormonelle Therapie und Bestrahlung der Restbrust) lehnte die Versicherte ab. Ende 2011 wurde ein Lokalrezidiv nachgewiesen. Die Versicherte entschied sich vor allem aus Sorge wegen der erwarteten Nebenwirkungen und Auswirkungen auf ihre Berufstätigkeit als Sängerin sowie wegen ihrer Einstellung zur Schulmedizin ("schlechte Erfahrungen mit der Schulmedizin, Bekanntenkreis") erneut gegen eine schulmedizinische Therapie. Sie wählte stattdessen zunächst eine homöopathische Behandlung bei einer Heilpraktikerin. Im Jahre 2012 wurden erstmals mehrere kleine Hautmetastasen im Bereich der rechten Brust erkannt. Die Versicherte entschied sich zur Fortsetzung der homöopathischen Therapie, da die Heilpraktikerin ihr versprochen habe, dass dieser Befund nicht schlimm sei und sich ihr Zustand schon bald bessern würde. Im Januar 2014 fanden sich Lymphknotenmetastasen auf der linken Achselhöhle und ab Februar 2014 traten Exulzerationen der rechten Brust hinzu. Im Laufe der nächsten Monate wurden Lebermetastasen, Lungenmetastasen sowie Knochenmetastasen der gesamten Wirbelsäule, des Brustbeins und des Beckenknochens nachgewiesen.
Am 02.05.2014 beantragte die Versicherte die Übernahme der Kosten für Behandlungen bei Dr. Q, einem Arzt für Allgemeinmedizin in X. Sie gab an, sie sei sich bewusst, dass die Behandlung nicht Bestandteil des gängigen Leistungskatalogs sei und beantrage deshalb die Übernahme der Kosten im Rahmen einer Einzelfallprüfung. Die Beklagte teilte ihr dazu unter dem 02.05.2014 mit: "Sie bitten um die Kostenübernahme für die Behandlung bei Herrn Dr. med. Q1 Q. Herr Dr. Q ist zugelassener Vertragspartner. Die Kosten dafür übernehmen wir, wenn die Behandlung medizinisch notwendig ist. Allein der Arzt kann entscheiden - eine Entscheidung von uns brauchen sie nicht. Die Leistungen werden direkt TK abgerechnet. Sprechen sie im Zweifelsfall ihren behandelnden Arzt an." Am 07.05.2015 wurde die erste Hyperthermiebehandlung der Versicherten bei Dr. Q durchgeführt.
Mit Bescheid vom 08.05.2014 lehnte die Beklagte die Kostenbeteiligung für die "ganzheitliche komplementäre Krebstherapie" ab. Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs berief sich die Versicherte vor allem auf die so genannte Nikolausentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und Stellungnahmen des Dr. Q. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Kompetenzzentrums Onkologie (KCO) des MDK Nordrhein vom 28.07.2014 ein. Das KCO verwies darauf, dass es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, sowie auf die Bewertungen des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Hyperthermiebehandlung im Beschluss aus dem Jahr 2005. Es sei gänzlich unklar, welchen Stellenwert die angestrebten Maßnahmen zur Verbesserung von ereignisfreier, Überlebenszeit und/oder Lebensqualität bei der Patientin haben könnten. Die Versicherte sei auf leitliniengerechte dem Stand der Medizin entsprechende Behandlungen (z.B. palliative Ch...