Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei höchstrichterlich ungeklärtem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Die zur Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht besteht u. a. dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt.

2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ist nach der Rechtsprechung des EuGH mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar, sofern es um Leistungsansprüche von Unionsbürgern geht, die kein materielles Aufenthaltsrecht geltend machen können, also insbesondere nicht tatsächlich und aktiv Arbeit suchen. Eine Entscheidung betreffend Arbeit suchende Unionsbürger hat der EuGH bislang nicht getroffen (Anschluss BSG Beschluss vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 9/13 R).

3. Damit ist in der Rechtsprechung weiterhin umstritten, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 nach nationalem Recht auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht überhaupt Anwendung findet.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2014 geändert. Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt T, N, bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) sind verheiratet. Sie besitzen die bulgarische Staatsangehörigkeit. Im September 2014 zogen die Antragsteller zu 3) bis zu 5), die minderjährigen Kinder des Ehepaares, in die Bundesrepublik nach.

Der Antragsteller zu 2) war seit dem 17.02.2014 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er bezog für die Zeit vom 11.09.2014 bis zum 29.10.2014 Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig wegen unentschuldigten Fehlens fristlos zum 21.10.2014, hilfsweise fristgerecht gekündigt.

Durch Bescheid vom 17.07.2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) und dem Antragsteller zu 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zum 31.12.2014 unter Anrechnung des Erwerbseinkommens des Antragstellers zu 2). Für die Antragsteller zu 3) bis zu 5) zahlte der Antragsgegner für die Monate September und Oktober 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus.

Durch Bescheid vom 06.11.2014 hob der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Antragstellerin zu 1) und den Antragsteller zu 2) mit Wirkung zum 01.12.2014 ganz auf. Am 20.11.2014 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.12.2014. Diese lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 20.11.2014 ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin zu 2) am 24.11.2014 Widerspruch.

Am 17.11.2014 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen über den 30.11.2014 hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Durch Beschluss vom 03.12.2014 hat das Sozialgericht Düsseldorf den als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06.11.2014 ausgelegten Eilantrag und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Aufhebungsbescheid rechtmäßig sei. Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 09.12.2014 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 12.12.2014 Beschwerde eingelegt. Nachdem der Antragsgegner einen Leistungsanspruch ab 12.01.2015 anerkannt hatte, haben die Antragsteller ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Eilantrages für erledigt erklärt und wenden sich nun noch gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Die von den Antragsstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung - Erlass einer Regelungsanordnung betreffend die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.12.2014 - hat zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag am 03.12.2014 betreffend die Regelleistungen nach § 20 SGB II hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 ff. ZPO geboten.

Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer in Ansehung der einschlägigen gesetzlichen Regelung und bereits vorliegenden Rechtsprechung schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Gleiches gilt für den Fall, dass eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten im Streit steht und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine durchzuführende Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers zu 2) ausgehen würde (BVerfG, Beschlüsse vom 08.01.2009 - 1 BvR 2733/06 m.w.N. und vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 m.w.N.).

Die Antragsteller haben im erstinstanzlichen Verfahren den Erlass einer...

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