Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Anordnungsgrund zur Übernahme von Mietschulden durch einstweiligen Rechtsschutz. Leistungen für Unterkunft und Heizung. Drohende Wohnungslosigkeit. Räumungsklage. Eilbedürftigkeit. Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens
Orientierungssatz
1. In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ein Anordnungsgrund regelmäßig erst dann gegeben, wenn Wohnungslosigkeit konkret droht. Bis zu einer solchen Räumungsklage ist es dem Leistungsberechtigten zumutbar, zunächst ein Hauptsacheverfahren zu betreiben. Fehlt es an einer Räumungsklage, so ist der erforderliche Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
2. Allein die Androhung einer Räumungsklage begründet noch keine konkrete bevorstehende Wohnungslosigkeit.
3. Scheitert die Gewährung von Eilrechtsschutz am fehlenden Anordnungsgrund, so kann die eventuelle Rechtswidrigkeit der Leistungsverweigerung allein im Hauptsacheverfahren zur Überprüfung gestellt werden.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 9; BGB § 569 Abs. 3; SGG § 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22.02.2012 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, einen Mietrückstand der Antragstellerin auszugleichen bzw. dieser hierzu ein Darlehen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren.
Die 1977 geborene Antragstellerin lebte bis 16.01.2012 mit ihren 2001, 2005, 2007 und 2009 geborenen Kindern C, B, M und P in einer Wohnung unter der Anschrift C 0a, 50000 L. Sie bezogen als Bedarfsgemeinschaft von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Am 14.11. bzw. 18.11.2011 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner ein Darlehen zur Tilgung von Mietrückständen gegenüber ihrem Vermieter, dem WC1, in Höhe von 951,20 Euro. Mit weiterem Schreiben vom 13.12.2011 beantragte sie die Übernahme der Heiz- und Nebenkostenabrechnung des Vermieters für den Nutzungszeitraum 2010 in Höhe von 1.905,53 Euro und zeigte an, dass sie hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnungen Einwendungen geltend gemacht habe.
Mit Schreiben vom 12.01.2012 kündigte der WC1 der Antragstellerin gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen eines Mietrückstandes von zwischenzeitlich 3.481,26 Euro fristlos und forderte die Räumung zum 03.02.2012.
Am 13.01.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Köln einen Eilantrag auf Ausgleich des Mietrückstandes, hilfsweise auf Darlehensgewährung gestellt, damit die Wohnung ihr und den Kindern erhalten bleiben könne.
Am 16.01.2012 sind die Kinder der Antragstellerin vom Jugendamt entzogen worden. Hiergegen hat die Antragstellerin am 24.01.2012 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Rückführung der Kinder beim Amtsgericht Kerpen - Familiengericht - gestellt. Gegen den vom Amtsgericht Kerpen erlassenen Beschluss ist nach derzeitigen Kenntnisstand eine Beschwerde beim OLG Köln anhängig.
Auf Bitte des Sozialgerichts hat der WC1 die Frist zur Räumung der Wohnung bzw. zur Zusage des vollständigen Ausgleichs des Mietkontos mit Schreiben vom 01.02.2012 bis zum 15.02.2012 verlängert und auf eine telefonische Anfrage vom 14.02.2012 mitgeteilt, dass bis zur Erhebung der Räumungsklage noch eine weitere Woche zugewartet werden könne.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 22.02.2012 verpflichtet, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 1.575,73 Euro zur Tilgung der bei dem WC1 als Vermieter entstandenen Mietrückstände der Grundmiete durch Überweisung unmittelbar an den Vermieter zu gewähren. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 22 Abs. 8 SGB II. Im vorliegenden Fall sei eine Notwendigkeit zur Schuldenübernahme gegeben, da die Antragstellerin eine drohende Wohnungslosigkeit hinreichend glaubhaft gemacht habe. Der Vermieter habe allein aufgrund des Einwirkens durch das Gericht davon abgesehen, die Räumungsklage bereits zu erheben. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass eine unangemessene Wohnung erhalten werden solle, weil zumindest nicht ausgeschlossen erscheine, dass die Kinder der Antragstellerin wieder zugeführt würden. Ein der Darlehensgewährung entgegenstehendes missbräuchliches Verhalten der Antragstellerin mit gezielter Herbeiführung von Mietrückständen sei zumindest nach den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegenden Tatsachen nicht erkennbar. Hinsichtlich der bestehenden Schulden aus der Nebenkostenabrechnung in Höhe von 1.905,53 Euro sei ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wie sich insbesondere aus dem Schreiben des Vermieters vom 18.01.2012 ergebe, werde die fristlose Kündigung allein auf die bestehenden Mietschulden in Höhe von 1.575,73 Euro gestützt, so dass be...