Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Gewährung von Grundsicherungsleistungen an Ausländer. Leistungsausschluss bei Fehlen eines materiellen Aufenthaltsrechts
Orientierungssatz
1. Das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts eines EU-Ausländers ist nicht Voraussetzung für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen an diesen.
2. Allein die Antragstellung auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende durch einen Ausländer führt noch nicht dazu, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet als ein Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitsuche zu bewerten ist.
3. Der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 geregelte Leistungsausschluss für Ausländer findet auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht vor einer ausdrücklichen Verlustfeststellung in Bezug auf die Freizügigkeit keine Anwendung. Denn insoweit fehlt es im Gesetz an der Aufnahme eines materiellen Aufenthaltsrechts als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Grundsicherungsleistungen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.12.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller den Regelbedarf für Partner entsprechend § 20 Abs. 4 SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.11.2015, längstens bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, zu gewähren. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen hat der Antragsgegner zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin T aus L beigeordnet.
Gründe
I.
Der am 00.00.1968 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er wohnt mit der bulgarischen Staatsangehörigen B., geboren am 00.00.1976, und deren drei Kindern (geboren 1997, 2000, 2002) zusammen. Der Antragsteller hat die Vaterschaft für die drei Kinder anerkannt.
Der Antragsteller war in der Bundesrepublik bereits in der Zeit vom 27.02.2004 bis zum 29.03.2006, vom 27.09.2010 bis zum 14.02.2011 und vom 16.07.2011 bis zum 01.06.2013 und ist erneut seit dem 10.02.2014 gemeldet.
Frau B. übte in der Zeit vom 29.11.2011 bis zum 23.06.2013 eine abhängige Beschäftigung aus. Anschließend bezog sie in der Zeit vom 06.07.2013 bis zum 27.02.2014 ALG I und Wohngeld. Frau B. bezieht für die drei Kinder Kindergeld i.H.v. insgesamt 552,00 EUR monatlich. Seit dem 24.10.2014 ist Frau B. als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 12 Stunden und einem Stundenlohn von 8,50 EUR geringfügig beschäftigt. Der Arbeitsvertrag ist bis zum 30.04.2015 befristet.
Der Antragsgegner bewilligte Frau B. und ihren drei Kindern für die Zeit ab dem 01.01.2014 bis zum 30.11.2014 durchgehend vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zuletzt i.H.v. 1.102,72 EUR monatlich. Den Antragsteller schloss der Antragsgegner von den Leistungen aus, da dieser weder über ein Daueraufenthaltsrecht noch über einen Arbeitnehmerstatus verfüge.
Mit Bescheid vom 11.12.2014 bewilligte der Antragsgegner Frau B. und den drei Kindern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 823,93 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 30.11.2015. Bei der Ermittlung des Bedarfs berücksichtigte er 4/5 der Bruttowarmmiete und rechnete neben dem Kindergeld ein Erwerbseinkommen von 280,00 EUR an. Die Gewährung von Leistungen an den Antragsteller lehnte der Antragsgegner erneut ab, da dieser weder über ein Daueraufenthaltsrecht noch über einen Arbeitnehmerstatus verfüge.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheiden vom 28.01.2015 und vom 12.03.2015 erhöhte der Antragsgegner die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an Frau B. und ihre drei Kinder.
Am 27.11.2014 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften in Höhe des Regelbedarfs einschließlich der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Er hat vorgetragen, dass er im Februar 2014 zu Frau B. und seinen Kindern in die Bundesrepublik nachgezogen sei. Er sei mittellos. Er halte sich zur Arbeitsuche und aus familiären Gründen in der Bundesrepublik auf. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife nicht ein. Er sei Vater freizügigkeitsberechtigter und verbleibberechtigter Kinder. Seine Kinder leiteten ihr Freizügigkeitsrecht von ihrer Mutter, seiner Lebensgefährtin, ab. Er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Ein solcher Anspruch werde aber erst seitens der Behörden geprüft, wenn ein Verfahren zur Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU eingeleitet sei. Auch komme ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in Betracht. Der Leistungsausschluss sei weder mit dem Unionsrecht noch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Antragsgeg...