Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anfalls einer sog. fiktiven Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Hat in einem sozialgerichtlichen Verfahren ein Termin nicht stattgefunden, so entsteht gemäß Nr. 3104 VV RVG gleichwohl eine fiktive Terminsgebühr, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
2. Ein zwischen den Beteiligten geschlossener außergerichtlicher Vergleich, als dessen Folge die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklären, genügt diesen Anforderungen nicht.
3. Ein Teilanerkenntnis mit übereinstimmender Erledigungserklärung erfüllt den Tatbestand einer fiktiven Terminsgebühr nicht.
Tenor
Auf die Erinnerung wird die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung vom 3. April 2018 geändert. Die Prozesskostenhilfevergütung des Antragstellers wird auf insgesamt 645,69 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer, Prozessbevollmächtigter des Klägers im Ausgangsverfahren, wendet sich mit der Erinnerung in erster Linie gegen die Absetzung der Gebühr Nr. 3104 Vergütungsverzeichnis (VV) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sowie der auf diese entfallenden Umsatzsteuer von seinem Antrag auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts.
Im Ausgangsverfahren verfolgte der Kläger einen Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens gegen das beklagte Land (im Folgenden: Erinnerungsgegner) in Höhe von 2.500,00 EUR. Der Senat bewilligte ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete ihm den Erinnerungsführer bei (Beschluss v. 28. September 2016). Der Erinnerungsgegner bot die Zahlung einer Entschädigung von 1.200,00 EUR sowie die Übernahme der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte an (Schriftsatz v. 7. Dezember 2017). Nach richterlichem Hinweis vom 11. Dezember 2017 dahingehend, dass der Erinnerungsgegner mit dem von ihm unterbreiteten Vergleichsvorschlag dem nach Senatsberatung sehr wahrscheinlichen Verfahrensergebnis nahe komme, nahm der Kläger den Vergleichsvorschlag des Erinnerungsgegners und dessen Kostenanerkenntnis an. Den Rechtsstreit erklärte er für erledigt (Schriftsatz v. 18. Januar 2018). Der Erinnerungsgegner äußerte sich hierzu nicht. Unter
dem 23. Februar 2018 beantragte der Erinnerungsführer, ausgehend von einem Gegenstandswert von 2.500,00 EUR, die Festsetzung seiner PKH-Vergütung wie folgt:
|
Verfahrensgebühr, Nr. 3300 VV RVG |
321,60 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG |
241,20 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG |
201,00 EUR |
Entgelte für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme netto |
783,80 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
148,92 EUR |
zu zahlender Betrag |
932,72 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die PKH-Vergütung zunächst auf 573,94 EUR fest. Auf die Einzelheiten der Festsetzung vom 3. April 2018 wird Bezug genommen. Insbesondere setzte sie die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG ab: Ein Termin habe nicht stattgefunden. Eine fiktive Terminsgebühr sei ebenfalls nicht entstanden, da das Verfahren nicht durch Anerkenntnis, sondern durch Vergleich geendet habe, wodurch die angemeldete Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG entstanden sei.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung. Der Erinnerungsführer trägt vor: Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG falle auch dann an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde. Diese Regelung diene als Anreiz für den Anwalt, einen verfahrensverkürzenden Vergleich zu schließen und damit die Gerichte zu entlasten. Hier habe das Gericht mit Verfügung vom 11. Dezember 2017 den Beteiligten einen Vergleich vorgeschlagen, der von den Parteien mit Schriftsätzen vom 18. Januar 2018 und 26. Januar 2018 angenommen worden sei. Abgesehen davon sei ein gerichtlicher Vergleich für Nr. 3104 VV RVG aber auch nicht erforderlich. Insbesondere spreche der Zweck der Regelung, die Gerichte zu entlasten, deutlich gegen die Auslegung, unter die Norm nur Vergleiche gemäß § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. nach § 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu fassen.
Der Bezirksrevisor und ihm folgend der Präsident des Landessozialgerichts als Vertreter des Erinnerungsgegners im Ausgangsverfahren treten der Erinnerung inzwischen nur noch entgegen, soweit der Ansatz der Nr. 3104 VV RVG betroffen ist. Hierzu vertreten sie unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen die Auffassung, der Gesetzgeber habe mit dem Erfordernis der Schriftlichkeit des Vergleichs zum Ausdruck gebracht, dass nur Vergleiche nach § 278 Abs. 6 ZPO bzw. nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG von dieser Gebührenposition erfasst seien. Ein diesen Anforderungen genügender schriftlicher Vergleich lie...