Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfall und Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG Ziffer 3 setzt voraus, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch ist. Weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich durch Beschluss und nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung entschieden wird, entsteht die Terminsgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht.
2. Ob die Nr. 3103 VV RVG hinsichtlich der Verfahrensgebühr auch im Eilverfahren anzuwenden ist, wenn ein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren vorangegangen ist, ist umstritten.
3. Hintergrund der Absenkung der Gebühr ist, dass bei Identität des Streitgegenstandes von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes für den Bevollmächtigten auszugehen ist. Dieser Synergieeffekt ist für den Eilrechtsschutz nicht anzunehmen, weil im Eilverfahren neben dem Anordnungsanspruch noch zusätzlich der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen ist, der im Hauptsache- und Widerspruchsverfahren keine Rolle spielt. Angesichts verschiedener Streitgegenstände sind Synergieeffekte, die eine Minderung der Gebühr rechtfertigen, zu verneinen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.03.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes streitig.
Mit Bescheid vom 26.01.2009 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab dem 12.01.2009 bewilligt und gleichzeitig die Gewährung von Ausbildungsgeld wegen der Anrechnung von Einkommen des Vaters des Antragstellers abgelehnt. Widerspruch gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller nicht erhoben.
Mit Schreiben vom 05.06.2009 hat der Beschwerdeführer die Überprüfung des Bescheides vom 26.01.2009 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch und die Auszahlung von Vorausleistungen nach § 72 SGB Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beantragt. Die Ablehnung des Anspruchs auf Ausbildungsgeld sei rechtswidrig. Die Angelegenheit sei für den Antragsteller extrem eilig, so dass die beantragte Leistung bis zum 12.06.2009 zu bewilligen sei. Nach fruchtlosem Fristablauf werde Eilantrag gestellt. Nachdem eine Reaktion der Antragsgegnerin nicht erfolgte, hat der Beschwerdeführer am 19.06.2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gelsenkirchen gestellt. Er hat die vorläufige Bewilligung von Ausbildungsgeld begehrt. Mit Bescheid vom 26.06.2009 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller das begehrte Ausbildungsgeld bewilligt.
Mit Beschluss vom 07.07.2009 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt.
Der Beschwerdeführer hat erklärt, dass er das Anerkenntnis der Antragsgegnerin annehme und hat den Rechtsstreit am 13.07.2009 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Kostenerstattungsantrag vom 09.09.2009 hat er die Erstattung folgender Kosten begehrt:
Verfahrensgebühr 3102 VV RVG 250,- EUR
Terminsgebühr 3106 VV RVG 200,- EUR
Pauschale für Post/Telekommunikation 20,- EUR
Zwischensumme 470,- EUR
19% Mehrwertsteuer 7008 VV RVG 89,30 EUR
Gesamtbetrag 559,30 EUR
Mit Beschluss vom 21.09.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten auf 318,92 EUR festgesetzt. Da der Bevollmächtigte bereits im Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei, berechne sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS). Im Vergleich zu entsprechenden Hauptsacheverfahren sei die Angelegenheit insgesamt unterdurchschnittlich und jeweils eine um 1/3 gekürzte Mittelgebühr (Verfahrensgebühr 114,- EUR und Terminsgebühr 134,- EUR) anzusetzen.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 25.09.2009 unter Hinweis auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 04.07.2007 (L 12 B 44/07 AS) Erinnerung ein. Die Regelung der Nr. 3103 VV RVG könne schon rein dogmatisch keine Anwendung finden, weil das Vorverfahren zum Zeitpunkt des Eilantrags noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sei auch der Abzug von 1/3 bei der Mittelgebühr. Diese sei schon wegen der existenziellen Bedeutung der Angelegenheit gerechtfertigt.
Auch die Beschwerdegegnerin hat gegen den Kostenbeschluss Erinnerung eingelegt. Die Vergütung sei auf lediglich 215,46 EUR festzusetzen. Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr 3 VV RVG sei nicht entstanden. Diese könne nur in Verfahren entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.
Die Verfahrensgebühr richte sich nach Nr. 3103 VV RVG, weil auch die Tätigkeit in einem Eilverfahren durch eine bereits erfolgte Tätigkeit im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren erleichtert werde. Diese Tätigkeit habe hier statt gefunden. Auch die Höhe der geltend gemacht...