Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Bemessung des anzusetzenden Stundensatzes für ein ärztliches Gutachten. Abgrenzung der Honorargruppen M 2 und M 3. Schwierigkeitsgrad. Zustandsbegutachtung. Anwendung und Auslegung der Kodierrichtlinien betrifft Rechtsfragen

 

Orientierungssatz

1. Die Abgrenzung, ob für die pro Stunde anzusetzende Vergütung des Sachverständigen für das von ihm erstellte ärztliche Gutachten die Honorargruppe M 2 oder M 3 einschlägig ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad. Nur ein hoher Schwierigkeitsgrad rechtfertigt den Ansatz der Honorargruppe M 3.

2. Liegt der Schwerpunkt der Begutachtung nach den gestellten Beweisfragen auf der Frage, ob und in welchem Umfang eine stationäre Therapie erforderlich war oder ob eine ambulante Behandlung ausgereicht hätte und damit im Wesentlichen auf der Durchführung einer reinen Zustandsbegutachtung, die über einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad nicht hinausgeht, ist der Ansatz der Honorargruppe M 2 gerechtfertigt.

3. Bei der Anwendung und Auslegung der Kodierrichtlinien handelt es sich um Rechtfragen und nicht um

Tatfragen (allein diese unterliegen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 402, 373 ZPO dem Sachverständigenbeweis). Der automatisierte Subsumtionsvorgang des Groupings und damit die Ermittlung der DRG ist einem medizinischen oder informationstechnischen Sachverständigengutachten ohnehin nicht zugänglich (vgl BSG vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R = BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2).

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.05.2019 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere in Anbetracht der begehrten Anhebung der Vergütung um 1.156,28 Euro nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 1 JVEG statthafte Beschwerde des Sachverständigen, über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 1 und 2 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Vergütung des Beschwerdeführers zu Recht auf 990,68 Euro festgesetzt.

Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den ins Einzelne gehenden Ausführungen des Sozialgerichts, die der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechen, an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Das Beschwerdevorbringen, das sich im Wesentlichen auf eine Verweisung auf das Vorbringen im Festsetzungsverfahren beschränkt, führt zu keiner anderen Bewertung.

1. Das Sozialgericht ist zutreffend von der Honorargruppe M 2 ausgegangen.

Die Frage, ob für die pro Stunde anzusetzende Vergütung des Sachverständigen die Honorargruppe M 2 oder M 3 nach § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG einschlägig ist, bestimmt sich nach Anlage 1 zu § 9 JVEG. Danach fällt eine beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, u.a. zur Minderung Erwerbsfähigkeit und zu Invalidität, unter die Honorargruppe M 2. Der Honorargruppe M 3 werden demgegenüber Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen und zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten zugeordnet. Nach dem Wortlaut dieser Regelungen nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen den Honorargruppen M 2 und M 3 nach dem Schwierigkeitsgrad vor. Nur ein hoher Schwierigkeitsgrad rechtfertigt den Ansatz der Honorargruppe M 3. Darüber hinaus soll die Honorargruppe M 2 beschreibenden Begutachtungen ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge vorbehalten sein, wohingegen die Honorargruppe M 3 einschlägig ist, wenn schwierige Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostische oder ätiologische Probleme zu klären sind (vgl. zum Ganzen den Beschluss des Senats vom 20.02.2015 - L 15 KR 376/14 B -, juris Rn. 30; ebenso bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 19).

Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht zutreffend die Honorargruppe M 2 angesetzt. Der Schwerpunkt der Begutachtung durch den Beschwerdeführer lag nach den gestellten Beweisfragen auf der Frage, ob und in welchem Umfang eine stationäre Therapie erforderlich war oder ob eine ambulante Behandlung ausgereicht hätte. Kausalitätsfragen warf der Sachverhalt auch nach den Ausführungen des Sachverständigen insoweit nicht auf. Auf die Ursache der Erkrankungen der Klägerin kam es auch nach de...

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