Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten wegen Systemversagens. Fettabsaugung

 

Orientierungssatz

Der Kostenerstattungsanspruch des Versicherten wegen Systemversagens nach § 13 Abs. 3 SGB 5 reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG Urteil vom 11. 7. 2017, B 1 KR 30/16 R). Der Versicherte hat keinen Anspruch auf eine stationär durchgeführte Liposuktion - Fettabsaugung -, weil diese Behandlungsmethode nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB 5 entspricht und es sich bei dem Lipödem nicht um eine lebensbedrohliche Krankheit handelt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.05.2019; Aktenzeichen B 1 KR 11/19 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SozialgerichtsDuisburg vom 25.08.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahrennicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten, die ihr für zwei Liposuktionsbehandlungen entstanden sind.

Sie ist Mitglied der Beklagten und leidet an einem Lipödem. Am 26.06.2016 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten stationärer Liposuktionen an Gesäß und Beinen. Dem Antrag war ein Bericht der D Klinik Q GmbH, I, vom 08.06.2016 beigefügt, dem zufolge bei der Klägerin bei einem Körpergewicht von 81 kg und einer Körpergröße von 173 cm ein Lipödem beider Beine im Stadium I-II bestehe. Es werde eine Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung beidseits "im Bereich der Ober- und Unterschenkel" empfohlen. Im Kostenvoranschlag waren sowohl ein Zuschlag für die ambulante Durchführung als auch Übernachtungskosten vorgesehen. Weiterhin waren den Eingriff befürwortende Schreiben des Kardiologen Dr. L vom 20.05.2016 und der Phlebologin/Lymphologin Dr. T vom 19.05.2016 beigelegt.

Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und unterrichtete die Klägerin hierüber mit Schreiben vom 28.06.2016.

Der MDK gelangte in seinem Gutachten vom 30.06.2016 zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Leistung einer Liposuktion nicht erfüllt seien. Die Liposuktion bei Lipödem stelle eine neue Methode im Sinne von § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dar, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ein Beratungsverfahren (stationär und ambulant) eingeleitet habe. Kontrollierte Studien, die eine Überlegenheit dieser Methode zu den herkömmlichen Therapien beweise, fehlten.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.07.2016 die Kostenübernahme für die "beantragte Behandlung" ab. Die ambulante Durchführung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht möglich, weil die Wirksamkeit vom GBA bisher nicht abschließend geprüft und positiv bewertet worden sei. Die Notwendigkeit zur Liposuktion im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung ergebe sich nicht alleine dadurch, dass die Behandlungsmethode ambulant nicht abrechenbar sei.

Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 12.07.2016. Zur Begründung führte sie an, dass sie konservative Behandlungsmethoden bereits erfolglos durchgeführt habe, sodass von einem Systemversagen auszugehen sei. Eine Empfehlung durch den GBA sei lediglich für die ambulante Behandlung erforderlich. Insbesondere aufgrund ihrer kardiologischen Erkrankung solle eine Verschlimmerung des Lipödems verhindert werden.

Die Klägerin ließ am 14.09.2016 und 09.11.2016 an den Beinen (Ober- und Unterschenkel) Liposuktionsbehandlungen in der D Klinik Q, I, durchführen.

Der erneut von der Beklagten eingeschaltete MDK bestätigte am 02.11.2016 das Erstgutachten. Auch eine Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung komme nicht in Betracht. Eine stationäre Krankenhausbehandlung erscheine nicht erforderlich. Die Anforderungen an die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung seien mangels abgeschlossener valider Studien nicht erfüllt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Kostenübernahme könne weder für eine ambulante noch für eine stationäre Liposuktionsbehandlung erfolgen. Die Methode entspreche nicht den Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung sei nicht ersichtlich.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.02.2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend angeführt, dass sie erfolglos Kompressionsstrümpfe getragen habe und auch wöchentliche Lymphdrainagen bei einer befreundeten Physiotherapeutin keine Besserung herbeigeführt hätten. Eine stationäre Liposuktion sei erforderlich gewesen, da aufgrund der Resektionsmenge, einer vorbestehenden Mitralklappeninsuffizienz und eines ausgeprägten Schmerzsyndroms eine Liposuktion unter ambulanten Bedingungen nicht verantwortbar...

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