Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

Eine hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält. Dies ist zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen nach § 103 SGG durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.07.2012 geändert. Dem Kläger wird zur Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens Prozesskostenhilfe ab dem 21.10.2011 bewilligt und Rechtsanwalt I aus F beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 19.07.2012 ist zulässig und begründet. Das SG hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Kläger ist nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Die Rechtsverfolgung hat zum Zeitpunkt der Vorlage der für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.

Erfolgsaussichten in diesem Sinn bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält. Dabei muss die Chance, den Prozess zu gewinnen, mindestens genauso groß sein, wie die, ihn zu verlieren. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen gemäß § 103 SGG durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), NJW 1991, 413 ff; BVerfG, NJW-RR 2002, 665 ff; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 29.06.2009, Az.: L 20 B 6/09 AS; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 73a, Rn. 7 ff; Düring in: Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a Rn. 12 m.w.N). Dabei ist eine schwierige Rechtsfrage nicht im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu klären, sondern erst abschließend im Hauptsacheverfahren zu entscheiden (BverfG, Entscheidung vom 05.02.2003, Az.: 1 BvL 1526/02, FamRZ 2003, 833; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.aO., § 73 ab, Rn. 7 b m.w.N.); ist die Rechtsauffassung des Antragstellers vertretbar, ist daher Prozesskostenhilfe zu gewähren (Littmann in: Lüdtke, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a, Rn. 13 m.w.N.).

Gemessen hieran sind die Erfolgsaussichten im vorliegenden Verfahren nicht zu verneinen. Zunächst ist die Klage nicht bereits mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig. Auf die Nachfrage des Senats hat der Bevollmächtigte des Klägers klarstellend erklärt, dass die Klageerhebung zwar durch die Mutter S H erfolgt ist, diese aber als gesetzliche Vertreterin des Klägers gehandelt hat. Das Rubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Des Weiteren wird das SG hier die gemäß des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.11.2011, Az.: B 4 AS 138/10 R aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes erforderlichen weiteren Ermittlungen durchzuführen haben. In seinem Befundbericht vom 12.04.2012 hat der behandelnde Arzt Dr. O mitgeteilt, dass er die Fragen 6 und 7 des Befundberichts nicht beantworten könne, sondern das SG darum bitte, sich mit dem F. Krankenhaus in Essen in Verbindung zu setzten, da dort die Behandlungen stattfinden würden und ihm leider keine aktuellen Berichte vorliegen würden.

Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3572343

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