Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Berücksichtigung des gemeinschaftlichen Einkommens und Vermögens getrennt lebender Eheleute bei beantragten Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB 2 sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
2. Bei getrennt lebenden Eheleuten sind die Grundsätze anzuwenden, die zum familienrechtlichen Begriff des Getrenntlebens entwickelt worden sind (BSG Urteil vom 18. 2. 2010, B 4 AS 49/09 R). Neben einer räumlichen Trennung ist ein erkennbarer Trennungswille erforderlich. Es muss der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten hinzutreten, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt.
3. Liegen diese Voraussetzungen vor und haben die Ehepartner zu keinem Zeitpunkt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, so ist bei der Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SGB 2 das gemeinschaftliche Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 09.03.2020 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellerinnen zu 1) und 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Februar 2020 bis Juli 2020 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Im Übrigen (Antragsteller zu 3) wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen zu 2/3 zu erstatten. Den Antragstellerinnen zu 1) und 2) wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Q, K, beigeordnet. Im Übrigen (Antragsteller zu 3) wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der am 00.00.2007 geborenen Antragstellerin zu 2) und des am 00.00.2018 geborenen Antragstellers zu 3). Die Antragsteller leben mit einer weiteren (volljährigen) Tochter der Antragstellerin zu 1) in einem gemeinsamen Haushalt. Die Antragstellerin zu 1) ist seit April 2018 verheiratet mit Herrn N. C. Dieser ist der Vater des Antragstellers zu 3) und lebt getrennt von den Antragstellern in einem Haus im K Weg 3, K1. Der Ehemann ist der Geschäftsführer der Fa. L und war der Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1).
Mit Bescheid vom 13.07.2018 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen zu 1) und 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Juli 2018 bis März 2019. Von Mai 2018 bis September 2018 erhielt die Antragstellerin zu 1) Mutterschaftsgeld. Im August 2018 zeigte die Antragstellerin zu 1) die Geburt des Antragstellers zu 3) an, woraus der Antragsgegner die Eheschließung der Antragstellerin zu 1) entnahm. Im Rahmen einer Stellungnahme hierzu erklärte die Antragstellerin zu 1) im September 2018, sie sei zwar verheiratet, lebe aber von Beginn an vom Ehemann getrennt. Der Antragsgegner stellte die Leistungszahlung ein und hob mit Bescheid vom 20.11.2018 die Leistungsbewilligung ab dem 01.11.2018 auf. Da der Ehemann unterhaltspflichtig sei und derzeit keine Unterlagen von ihm vorlägen, könne die Hilfebedürftigkeit nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 03.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2019 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligung bis Oktober 2018 vollständig auf und forderte eine Erstattung iHv insgesamt 4300,45 EUR. Hiergegen haben die Antragsteller am 10.12.2019 bei dem Sozialgericht Köln Klage erhoben (S 13 AS 5033/19).
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beantragten die Antragsteller im Januar 2020 erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Antragstellerin zu 1) erklärte, sie lebe von dem Ehemann räumlich getrennt und erwäge eine endgültige Trennung. Trotz der Trennung unterstütze der Ehemann sie "finanziell und materiell".
Ohne Aufnahme eines Antragsformulars lehnte der Antragsgegner den Antrag mit Bescheid vom 04.02.2020 ab, da Hilfebedürftigkeit im Hinblick auf die Unterstützung durch den Ehemann nicht festgestellt werden könne. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller am 12.02.2020 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Am 12.02.2020 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten. Der Ehemann stelle dem Antragsteller zu 3) monatlich 550 EUR zur Verfügung. Dieses Geld benötigten die Antragsteller, um die Miete iHv 565,80 EUR zu bezahlen. Daneben stehe Kindergeld iHv 408 EUR monatlich zu. Die Antragsteller haben Kontoauszüge vorgelegt und erklärt, die Eheschließung sei nur erfolgt, weil die Antragstellerin zu 1) schwanger gewesen sei. Man habe zu keinem Zeitpunkt zusammen gelebt.
Mit Beschluss vom 09.03.2020 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der Ehemann gehöre als nicht getrennt lebender Ehegatte gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II zur Bedarfsg...