Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Schwarzarbeit. einstweiliger Rechtschutz

 

Orientierungssatz

1. Begehrt der Arbeitgeber die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Beitragsbescheid, so muss er dazu Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, die überwiegende Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sozialversicherungsträgers rechtfertigen.

2. Zur Ermittlung der von einem Taxiunternehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge bestehen keine Bedenken gegen die Verwertung der Daten einer Taxi-Genossenschaft zur Feststellung der Voraussetzungen von Schwarzarbeit (BFH Urteil vom 23. 10. 2012, VII R 41/10). Unerheblich ist dabei, ob die betreffenden Fahrzeiten tatsächlich vergütet worden sind.

3. Maßgeblich ist allein das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs, ohne Rücksicht darauf, ob auch eine Zahlung erfolgt ist (BSG Urteil vom 4. 9. 2018, B 12 R 4/17 R).

4. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen gilt ein Nettogehalt als vereinbart. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB 4 gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und Arbeitsförderung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 18.02.2019 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 09.11.2018 gegen den Bescheid vom 22.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2018 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 138.172,40 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die am 8.3.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen schriftlich erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 21.2.2019 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 18.2.2019 ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).

Nach diesen Maßstäben war im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 9.11.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.6.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2018 hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 138.172,40 Euro nicht anzuordnen.

I.

Derzeit ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Bescheid vom 22.6.2018 in Bezug auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen als rechtwidrig erweisen wird.

1. Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.6.2018 ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversi...

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