Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Regelungscharakter bei einer Aufforderung des Leistungsträgers

 

Orientierungssatz

1. Die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs setzt einen Verwaltungsakt voraus. Dieser ist als regelnde Entscheidung auf die Herbeiführung einer unmittelbaren Rechtsfolge gerichtet. Dagegen dient eine Aufforderung nach § 60 SGB 1 lediglich der Vorbereitung einer etwaigen Verwaltungsentscheidung und enthält keine Regelung i. S. des § 31 Abs. 1 SGB 10.

2. Eine Formulierung "daher können Ihnen derzeit keinerlei Leistungen nach dem SGB 2 gezahlt werden" stellt keine das Verfahren beendende Entscheidung dar. Sie enthält keinen Verfügungssatz mit anschließender Begründung und gibt lediglich die Rechtsauffassung des Leistungsträgers unter Zugrundelegung des bislang bekannten Sachverhalts wieder, wobei erkennbar weiterer Aufklärungsbedarf gesehen wird.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 29.09.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 2 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet.

Die Beklagte hat zu Recht den Widerspruch gegen ihr Schreiben vom 28.01.2008 als unzulässig verworfen. Nach §§ 83, 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss sich der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt richten, die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs setzt damit einen Verwaltungsakt voraus (BSG Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 66/04 R= SozR 4-1300 § 63 Nr. 5 m.w.N.). Das Schreiben der Beklagten vom 28.01.2008 stellt eine Aufforderung der Beklagten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) an den Kläger dar, durch die Vorlage bestimmter Unterlagen am Verfahren mitzuwirken, verbunden mit einem schriftlichen Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I auf die Folgen im Fall der Verletzung der Mitwirkungspflicht.

Bei einer Aufforderung nach § 60 SGB I handelt es sich um keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), sie dient lediglich der Vorbereitung einer etwaigen Verwaltungsentscheidung (BSG Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R -; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.12.2007 - L 13 AS 428/07 AS -; LSG NRW Beschluss vom 09.09.2009 - L 12 B 71/09 AS NZB). Das Schreiben enthält auch darüber hinaus keine Regelung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Eine Regelung ist eine Entscheidung, die auf die Herbeiführung einer unmittelbaren Rechtsfolge gerichtet ist. Sie ist insbesondere gegeben, wenn und soweit Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt wird (BSG Urteil vom 17.10.2006, a.a.O. m.w.N.). Soweit die Beklagte im Schreiben vom 28.01.2008 ausgeführt hat "Daher kann Ihnen derzeit keinerlei Leistungen nach dem SGB II gezahlten werden", sind diese Ausführungen nicht als verbindliche Ablehnung des Fortzahlungsantrags des Klägers vom 28.12.2007 zu werten.

Die Auslegung einer Erklärung, ob ein Verwaltungsakt erlassen werden sollte und mit welchem Inhalt, richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Dabei ist das gesamte Verhalten des Erklärenden zu berücksichtigen; neben dem Erklärungswortlaut kommt es auch auf die Begleitumstände, insbesondere dem Zweck der Erklärung an. Das danach maßgebende Gesamtverhalten des Erklärenden ist vom Standpunkt dessen zu bewerten, für den die Erklärung bestimmt ist. Maßgebend ist somit nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen konnte. Maßgebend ist also nicht, was die Verwaltung mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern wie der Empfänger sie verstehen durfte; andererseits kann der Empfänger sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn diese objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (BSG Urteil vom 08.12.1993 - 10 RKg 19/92= SozR 3-1300 § 34 Nr. 3). Dem Schreiben vom 28.01.2008 ist der Wille der Beklagten zur verbindlichen Ablehnung des Fortzahlungsantrag des Klägers vom 28.12.2007 nicht zu entnehmen. Weder aus der äußeren Form des Schreibens - Fehlen einer Bezeichnung des Schreibens als Bescheid, Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung - noch aus dem Aufbau des Schreibens - Fehlen eines Verfügungssatzes mit anschließender Begründung - ergeben sich Anhaltspunkte für den Willen der Beklagten, eine verbindliche Regelung mit Außenwirkung im Sinne des § 31 SGB X zu treffen. Aus dem Inhalt des Schreibens ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte den Kläger über ihre Rechtsauffassung unter Zugrundelegung des ihr bislang bekannten Sachverhaltes - Ausschluss eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II wegen eines nicht geschützten Vermögens - informieren und dem Kläger nachvollziehbar darlegen wol...

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