Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Das Ablehnungsverfahren gegenüber einem wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter dient nicht der Überprüfung richterlicher Vorgehensweisen auf etwaige Rechts- bzw. Verfahrensfehler. Ein Ablehnungsgrund ist insoweit nur dann gegeben, wenn die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.
2. Dem Richter obliegt eine Aufklärungs- und Hinweispflicht. Gelangt der Richter zu der Auffassung, dass ein Verfahrensstand erreicht ist, der Rückschluss auf das jeweilige Begehren zulässt, ist er nicht nur berechtigt, sondern auch gehalten, dies den Beteiligten mitzuteilen. Gibt er in einer solchen Situation den dringenden Rat, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bzw. die erhobene Klage für erledigt zu erklären, so begründet dies nicht eine Besorgnis der Befangenheit.
3. Eine Besorgnis der Befangenheit kann dann begründet sein, wenn sich der Verfahrensablauf über lange Zeit als eine Kette von Verzögerungen bis hin zur Untätigkeit darstellt und keine Gründe ersichtlich sind, die diesen Ablauf als vertretbar erscheinen lassen könnten.
Tenor
Das Gesuch des Antragstellers auf Ablehnung von Richterin am Sozialgericht T wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Senat ist für die Entscheidung über das vor dem 01.01.2012 gestellte Befangenheitsgesuch des Antragstellers weiterhin zuständig, auch wenn durch Art. 8 Ziffer 4 b) des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis dahin geltenden Fassung ("Über die Ablehnung entscheidet außer im Falle des § 171 das Landessozialgericht durch Beschluss") mit Wirkung zum 01.01.2012 (Art. 23) aufgehoben worden ist. Da der Gesetzgeber keine Übergangsregelung getroffen hat, ist für die Frage, welche prozessrechtlichen Vorschriften in einer bestimmten Verfahrenslage anzuwenden sind, grundsätzlich auf den "Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts" abzustellen. Dieser besagt, dass eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, es sei denn, dass die weitere Rechtsanwendung mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht vereinbar ist (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 12.07.1993 - 1 BvR 1470/82 - und vom 07.07.1992 - 2 BvR 1631/90 -). Ausfluss dieses Rechtsgedankens ist u.a. der Grundsatz der perpetuatio fori, der besagt, dass die Zuständigkeit eines Gerichts, die bei Eintritt der Rechtshängigkeit begründet war, durch spätere Veränderungen der begründenden Umstände, zu denen auch gesetzliche Änderungen gehören, nicht fortfällt; das Gericht bleibt zuständig (vgl. Eschner in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage 2008, § 94 Rdn. 22; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG - Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2008, § 95 Rdn. 9a, jeweils m.w.N.). Zwar werden Ablehnungsgesuche anders als Klagen, für die dieser Rechtsgedanke zuvörderst entwickelt wurde, nicht "rechtshängig" i.S.d. § 94 SGG; die Interessenlage ist aber vergleichbar. Der Grundsatz der perpetuatio fori soll u.a. den Rechtssuchenden vor Verzögerungen bewahren. Eine solche würde indes eintreten, wenn der Senat das Ablehnungsverfahren abgeben und eine erneute Einarbeitung an anderer Stelle erforderlich würde. Dies aber stünde mit dem Gesetzeszweck der Verfahrensbeschleunigung (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung in BT-Drs. 17/6764 S. 27 zu Art. 8 Nr. 4 a und b) nicht in Einklang.
II.
Das gegen Richterin am Sozialgericht T gerichtete Befangenheitsgesuch des Antragstellers ist nicht begründet.
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rspr., vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - und vom 02.12.1992 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 -; Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Antragsteller verweist zur Begründung s...