Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine von der Kassenärztlichen Vereinigung verfügte Reduzierung der Honorarabschlagszahlung

 

Orientierungssatz

1. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.

2. Auf das Vierteljahreshonorar erhalten die an der Honorarverteilung teilnehmenden Vertragsärzte Abschlagszahlungen von der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Anrufung des Beschwerdeausschusses gegen die vorläufige Honorarfestsetzung hat nach § 106 Abs. 5 S. 4 SGB 5 aufschiebende Wirkung. Diese hat zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden darf.

3. Die Vollziehbarkeitshemmung bedeutet, dass der Behörde nunmehr jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsaktes einstweilen untersagt ist. Weil auch die Aufrechnung als Vollziehung gilt, ist es der KV nach Anrufung des Beschwerdeausschusses untersagt, die Abschlagszahlungen infolge eines vom Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen verhängten Regresses im Wege der Aufrechnung zu reduzieren.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.02.2006 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, die monatlichen Abschlagszahlungen infolge eines vom Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein verhängten Regresses um jeweils 10 v.H. zu reduzieren.

Die Antragstellerin ist als Ärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung in ... zugelassen. Die Höhe der Vorauszahlung auf das vertragsärztliche Honorar (Abschlagszahlung) belief sich in der Vergangenheit auf monatlich 14.500,00 Euro. Mit Bescheid vom 09.01.2006 setzte der Prüfungsausschuss Verordnungsregresse für das Quartal III/02 von 7.228,52 Euro und für das Quartal IV/02 von 6.296,50 Euro fest. Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist noch nicht beschieden.

Mit Schreiben vom 09.01.2006 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass angesichts des Regresses die Abschlagszahlung gem. § 11 Abs. 2 des Honorarverteilungsvertrages (HVV) in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung reduziert werde. Für den Monat Januar 2006 wurde die Abschlagszahlung der Antragstellerin um 40 v.H. (= 5.800,00 Euro) reduziert und 8.700,00 Euro angewiesen.

Die Antragstellerin hat beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf am 17.01.2006 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hat vorgetragen, die Regelung des § 11 Abs. 2 HVV sei rechtswidrig. Denn nach § 106 Abs. 5 Satz 4 SGB V habe die Anrufung des Beschwerdeausschusses in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren aufschiebende Wirkung. Die Kürzung der Abschlagszahlungen bewirke faktisch, dass diese Regelung außer Kraft gesetzt werde. Mit der verringerten Abschlagszahlung sei es ihr nicht möglich, den Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten. Die monatlichen Praxis- und Lebenshaltungskosten würden sich auf mehr als 20.000,00 Euro belaufen. Sie verfüge nicht über genügend finanzielle Reserven, um die Kürzung der Abschlagszahlungen finanziell auffangen zu können. Das bei der Stadtsparkasse ... geführte Praxiskonto weise ein Sollsaldo von 18.434,05 Euro auf.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die monatlichen Abschlagszahlungen an sie ab dem 01.01.2006 im gleichen Umfang wie bisher, nämlich in Höhe von 14.500,00 Euro monatlich, auszuzahlen und seit dem 01.01.2006 eingehaltene Beträge, die von dieser Summe abweichen, spätestens bis zum 31.01.2006 nach zu erstatten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass kein Anordnungsanspruch gegeben sei. Die Antragstellerin habe weder wesentliche Nachteile noch eine wesentliche Erschwernis bzgl. der Verwirklichung eines Rechts substantiiert dargelegt. Zudem fehle es am Anordnungsgrund. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache seien gering. Weder Gesetz noch Bundesmantelverträge sähen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen vor. Eine Rechtsgrundlage hierfür finde sich allein im HVV. Darin sei geregelt, dass Abschlagszahlungen in Höhe von bis zu 25 v.H. geleistet werden könnten. Das gelte jedoch nicht, wenn ein Verordnungsregress verhängt worden sei. Es sei bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden worden, dass ein Vertragsarzt keinen Anspruch auf ein Honorar in bestimmter Höhe habe.

Mit Beschluss vom 03.02.2006 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, die monatlichen Abschlagszahlungen ohne Kürzung auszuzahlen und die für Januar und ggf. Februar 2006 bereits einbehaltenen Beträge auszukehren. Die Verringerung der Abschlagszahlungen auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 HVV sei rechtswidrig. Hierdurch werde gegen höherrangiges...

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