Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsberechtigung zur Nachprüfung des im Vergabeverfahren nicht berücksichtigten Bieters

 

Orientierungssatz

1. Das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren zur Ausschreibung eines Vergabevertrages über eine Arzneimittelversorgung dient weder der Klärung abstrakter Rechtsfragen noch der Durchsetzung von Rechten Dritter. Dementsprechend ist ein Antragsteller nur antragsbefugt, sofern er ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen kann und darlegt, dass ihm durch den geltend gemachten Vergabeverstoß zumindest ein Schaden droht.

2. Dementsprechend ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen rechtswidrigen Eingriff in Rechte der Versicherten und Vertragsärzte, eine Gefährdung des Versorgungsauftrags der gesetzlichen Krankenkassen, einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot, die konkrete Ausgestaltung der Möglichkeit des Nachunternehmereinsatzes und eine beabsichtigte Einräumung von Exklusivität rügt.

3. Den Krankenkassen ist die Möglichkeit eingeräumt, Versorgungsverträge mit einzelnen Apotheken zu schließen. Eine Verletzung der Berufsfreiheit der nicht bezuschlagten Apotheken ist mit der erforderlichen Auswahlentscheidung nicht verbunden. Denn die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an Mitbewerber berührt nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des unterlegenen Bieters.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29.04.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.

Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Gründe

Die Antragsgegnerin (AG), eine gesetzliche Krankenkasse, schrieb die Vergabe von Verträgen nach § 129 Abs. 5 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten im Offenen Verfahren europaweit aus (ABI. EU 2010/S 12-015326 v. 19.01.2010, berichtigt durch ABI. EU 2010/S 43-062081 und ABI. EU 2010/S 53-077420 v. 03.03.2010 sowie ABI. EU 2010/S 58-085406 v. 17.03.2010).

Die Ausschreibung bezieht sich auf das Gebiet des Landes Berlin, das - unter Verzicht auf die Bildung von Fachlosen - in 13 Gebietslose aufgeteilt wurde. Gegenstand des Vergabeverfahrens sind Versorgungsverträge in Form von Rahmenvereinbarungen mit jeweils einer Apotheke pro Los, nachdem die AG zunächst die Vergabe von zwei Rahmenvereinbarungen in den jeweiligen Gebietslosen vorgesehen hatte. Neben den "klassischen" Zytostatika werden auch therapeutische monoklonale Antikörper, die ebenfalls im Rahmen der Krebstherapie zur Anwendung kommen, von der Ausschreibung erfasst.

Der Vertrag soll für die Dauer eines Jahres abgeschlossen werden. Bietern ist es freigestellt, bei der Auftragsdurchführung Nachunternehmer einzusetzen. Mit den Verdingungsunterlagen wurde ein Produktblatt zur Verfügung gestellt, das - aufgeschlüsselt nach den einzelnen Gebietslosen - die abgegebenen Wirkstoffmengen des ersten Halbjahres 2009 in mg enthält. Die Bieter haben pro Wirkstoff einen Festpreis anzubieten. Zuschlagskriterium ist ausschließlich der niedrigste Preis.

§ 4 Abs. 3 des Versorgungsvertrages enthält folgende Abrede:

"Die Krankenkasse hat in Bezug auf die Versorgung ihrer Versicherten mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V. Dementsprechend verpflichtet sich die Krankenkasse nach Erteilung des Zuschlags in dem jeweiligen Gebietslos, die dort ambulant behandelnden Ärzte, die in den Anwendungsbereich dieses Vertrages gemäß § 1 Absatz 1 Satz 2 und § 3 Absatz 1 Satz 4 einbezogen sind und Rezepturen im Sinne des Vertrages verordnen, zu informieren. Diese Information beinhaltet den Hinweis, dass die Sicherstellung der Versorgung im unter § 3 Absatz 1 bezeichneten Gebietslos allein durch den Apotheker als Vertragspartner der Krankenkasse nach § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V erfolgt und die Ärzte sämtliche vertragsgegenständlichen Zubereitungen bei dem Apotheker zu beziehen haben."

§ 4 Abs. 4 des Versorgungsvertrages regelt:

"Die Lieferfähigkeit des Apothekers vorausgesetzt, verpflichtet sich die Krankenkasse, vertragsgegenständliche Zubereitungen, die von anderen Personen als dem Apotheker an Arztpraxen abgegeben werden, die im Gebiet des in § 3 Absatz 1 dieses Vertrages bestimmten Loses ambulant behandeln, bei der Abrechnung nicht zu berücksichtigen und von der Erstattung in vollem Umfang auszuschließen. Die Herstellung und Auslieferung von Rezepturen durch Apotheker oder Herstellungsbetriebe, die für dieses Gebietslos keinen Zuschlag erhalten haben, erfolgt mithin auf deren alleiniges finanzielles Risiko."

§ 10 des Versorgungsvertrages sieht u....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge