Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Ausländer ohne Identitätspapier. Passpflicht. Passbeschaffungskosten. kein unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. keine Übernahme von Passbeschaffungskosten nach § 73 SGB 12 bzw § 67 SGB 12. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Das SGB 2 enthält keine Anspruchsgrundlage für die Verurteilung des Grundsicherungsträgers zur Übernahme von Passbeschaffungskosten.

2. Passbeschaffungskosten stellen keinen unabweisbaren laufenden und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums dar.

3. Die Regelung des § 3 Abs 1 AufenthG 2004 begründet eine gesetzliche Passpflicht.

4. Verfassungsrechtliche Gründe für die Übernahme von Passbeschaffungskosten sind nicht ersichtlich.

5. Hinsichtlich der Übernahme von Passbeschaffungskosten liegt keine besondere, atypische Lebenslage oder eine besondere soziale Schwierigkeit vor, welche die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers begründen würde.

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.04.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Denn das Sozialgericht (SG) Duisburg hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 22.04.2009 ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung der Kläger bot keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie begehren die Übernahme von Passbeschaffungskosten. Hierfür ist eine Anspruchsgrundlage nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht erkennbar.

a) Die Kläger beziehen fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das SGB II enthält keine Anspruchsgrundlage für die Verurteilung des Grundsicherungsträgers zur Übernahme von Passbeschaffungskosten.

Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehr- bzw. Sonderbedarfes gemäß § 21 oder § 23 Abs. 3 SGB II sind nicht erfüllt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB II decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe schließt § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich aus. Damit hat die Gesetzgebung zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bedarfsdeckend und abschließend sind (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 17).

b) Die Kläger können einen Leistungsanspruch auch nicht aus dem Grundgesetz (GG) herleiten. Zum einen bedarf ein solcher Anspruch grundsätzlich der legislativen Ausgestaltung. Denn die Verfassung kann nur den tragenden Grund für eine Leistungsgewährung setzen, (erst) das einfache Recht liefert Inhalt und Schranken der Berechtigung (Seiler, JZ 2010, S. 500, 504). Zum anderen ist eine Leistungsgewährung im vorliegenden Kontext verfassungsrechtlich nicht geboten.

Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - BGBl. I S. 193) entschieden, dass die Regelleistung des § 20 SGB II nicht denjenigen besonderen, laufenden, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf zu erfassen vermag, der zwar seiner Art nach berücksichtigt wird, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Tritt in Sondersituationen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auf, erweise sich die Regelleistung als unzureichend. Auch hier könnten einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf sei das indessen nicht mehr möglich. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff. SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Anspruch entstehe aber erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Dieser zusätzliche Anspruch dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen. Um die Gefahr einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel zu vermeiden, müsse die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils des BVerfG durch eine entsprechende Anordnung des Bundesverfassungsgeric...

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