Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB 2 stellt keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar, der eines eigenständigen Antrags bedarf. Er ist Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und damit vom Antrag des Hilfebedürftigen auf Gewährung von Leistungen des SGB 2 mit umfasst. Bei Hypertonie, Hyperlipidämie und Eisenmangelanämie ist ein Mehrbedarf für Krankenkost i. S. des § 21 Abs. 5 SGB 2 nicht gegeben.

2. Für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache genügt ein Individualinteresse nicht. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass zur Bewertung der Erforderlichkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zurückgegriffen werden darf. Liegen keine Besonderheiten des Einzelfalls vor, so sind Ermittlungen im Einzelfall über die Empfehlungen des Deutschen Vereins hinaus nicht erforderlich.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.05.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Prozesskostenhilfe wird für das Beschwerdeverfahren abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs ab dem 01.05.2009. Der Kläger bezieht von der Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im April 2009 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.05.2009 unter Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Er legte eine ärztliche Bescheinigung des Praktischen Arztes S vom 02.04.2009 vor, wonach er wegen einer Hyperlipidämie und einer Hypertonie einer lipidsenkenden und natriumdefinierten Kost bedürfe. Durch Bescheid vom 23.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 366,51 EUR (179,86 EUR Regelleistung + 186,65 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2009. Die Beklagte holte ein Gutachten nach Aktenlage zum Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags für Ernährung von dem Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen P. ein. Dieser führte im Gutachten vom 28.04.209 aus, dass die bei Fettstoffwechselstörungen empfehlenswerte Kost, insbesondere mit Einschränkung des Konsums von Fleisch und tierischen Fetten und Bevorzugung von Getreideprodukten, nach allgemein anerkannter medizinischer und ernährungswissenschaftlicher Lehrmeinung in der Ernährung keine Mehrkosten verursache. Eine strikt natriumarme Kost spiele in der Medizin seit über 10 Jahren keine Rolle mehr. Durch Bescheid vom 05.05.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.06.2009 zurückwies. Es sei zwar eine besondere Krankenkost erforderlich, die aber keine Mehrkosten bedinge. Die Einschränkung des Konsums von Fleisch und tierischen Fetten im Vergleich zu einer Normalernährung biete eher die Möglichkeit der Einsparung. Mit der am 02.07.2009 erhobenen Klage hat der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2009 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 SGB II in Höhe von 50,00 EUR ab dem 01.05.2009 begehrt. Zur Stützung seines Begehrens hat er ein Attest des Praktischen Arztes R. vom 27.07.2009 vorgelegt, wonach bei ihm ein Zustand nach Herzinfarkt, eine koronare Herzerkrankung, ein Zustand nach zweimaliger Stent-Implantation besteht. Verantwortlich hierfür seien die Risikofaktoren einer Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie, die neben einer medikamentösen Therapie mit einer Diät behandelt werden müssten. Aufgrund der strengen Diät habe der Kläger eine Eisenmangelanämie entwickelt. Er müsse bei Einhaltung einer streng cholesterinarmen und fettreduzierten Ernährung zusätzlich Fleisch (Putenfleisch, Hähnchenfleisch, mageres Rindfleisch und modifizierte Wurstwaren) zu sich nehmen. Das Sozialgericht hat Befundberichte von den Kardiologen Dr. O und Prof. Dr. U sowie von dem Praktischen Arzt Dr. S eingeholt. Dr. O und Prof. Dr. U haben ausgeführt, dass bei dem Kläger eine Hypercholesterinämie bestehe, die eine cholesterinarme Kost erforderlich mache, die keine finanzielle Mehrbelastung bedinge. Sie stimmten dem Gutachten von Dr. Q zu. Der Praktische Arzt S hat dargelegt, dass der Kläger auf eine lipidsenkende Kost, die natriumarm, vitaminreich, reich an Omega 3 Fettsäuren mit ausreichender Eisenversorgung sein müsse, angewiesen sei. Die Einhaltung fettreduzierter Kost bei gleichzeitiger Vermehrung von Omega 3 Fettsäuren, z. B. durch Seefisch, weiche kostenmäßig von der Einnahme einer Normalkost ab. Dem Gutachten vo...

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