Entscheidungsstichwort (Thema)
Alg II. Wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Rechtskraftwirkung der Ablehnung eines Anordnungsantrags. Bindungswirkung eines abgelehnten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Beschlüsse, die im einstweiligen Anordnungsverfahren ergehen, erwachsen, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in materielle Rechtskraft. Die Rechtskraftwirkung der Ablehnung eines Anordnungsantrags in der Sache steht grundsätzlich einem erneuten Antrag entgegen.
2. Nur wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, die eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen, ist ein wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig.
3. Eine Rechtslagenänderung, die die Durchbrechung der Rechtskraft erlaubt, ist nur gegeben, wenn sich die entscheidungserhebliche Normlage nachträglich verändert.
4. Die Ablehnung eines erneuten Antrags auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit denselben Erwägungen wie schon zuvor stellt keine Änderung der Tatsachengrundlage dar.
Orientierungssatz
1. Ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 2 vom Gericht rechtskräftig abgelehnt, so ist bei unveränderter Sachlage ein erneut gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig.
2. Nur eine Rechtslagenänderung oder das Entstehen neuer Tatsachen nach Eintritt der Rechtskraft erlaubt die Durchbrechung der Rechtskraft.
Normenkette
SGB II § 7; SGG §§ 73, 86b Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.06.2007 werden zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller bis zum 30.11.2006 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Den Folgeantrag lehnte sie ab, weil zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn sowie Frau L (L.) eine Bedarfsgemeinschaft bestehe, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt seien (Bescheid vom 19.12.2006; Widerspruchsbescheid vom 24.01.2007).
Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben und beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen gestellt. Mit Beschluss vom 15.03.2007 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 21.02.2007 vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache Leistungen zu gewähren. Mit Ausführungsbescheid vom 12.04.2007 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 21.02. bis 30.04.2007 bewilligt. Auf deren Beschwerde hat jedoch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Beschluss vom 18.04.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Aufhebung des Beschlusses des SG Gelsenkirchen vom 15.03.2007 abgelehnt.
Am 27.04.2007 hat der Antragsteller einen erneuten Bewilligungsantrag gestellt, den die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 09.05.2007 abgelehnt hat. Hiergegen legte der Antragsteller am 11.05.2007 Widerspruch ein und hat am 21.05.2007 erneut beim SG Gelsenkirchen beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ab dem 01.05.2007 monatlich 730,69 EUR zu bewilligen. Er hat vorgebracht, L. erteile ihm keine Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen und unterstütze ihn auch nicht. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens hat er eine Bescheinigung von L. vorgelegt.
Mit Beschluss vom 01.06.2007 hat das SG den Antrag als unzulässig abgelehnt, weil ihm die Rechtskraft des Beschlusses des LSG NRW vom 18.04.2007 entgegenstehe.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG ebenfalls abgelehnt.
Die dagegen gerichteten Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht als unzulässig abgelehnt.
Beschlüsse, die im einstweiligen Anordnungsverfahren ergehen, erwachsen, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in materielle Rechtskraft (h.M., vgl. BFH NVwZ 93, 607, 608; LSG Berlin NZS 2002, 670; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. § 86b Rn 45a). Auch im Anordnungsverfahren besteht ein Bedürfnis, durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegen zu wirken, die Belastung der Gerichte zu vermeiden, sowie der Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (BFH a.a.O.; 0VG Münster, NJW 1975, 992;).
Die Rechtskraftwirkung der Ablehnung eines Anordnungsantrages in der Sache, wie er hier durch Beschluss des LSG NRW vom 18.04.2007 erfolgt ist, durch den der Antrag des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen für unbegründet erklärt worden ist, steht daher grundsätzlich eine...