Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung des Landessozialgerichts bei gleichzeitiger Einlegung von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde

 

Orientierungssatz

1. Hat der Kläger gegen ein ergangenes Urteil sowohl Nichtzulassungsbeschwerde erhoben als auch Berufung eingelegt, so ist über beide Rechtsmittel zu entscheiden. Eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung ist ausgeschlossen, wenn der Kläger auf Anfrage des Gerichts erklärt, die Nichtzulassungsbeschwerde werde nicht zurückgenommen. Ein solches Vorgehen macht zwar im Blick auf die unterschiedliche Zielrichtung der Rechtsmittel keinen Sinn. Vor dem Hintergrund der Rechtsmittelklarheit ist aber gegen beide Rechtsmittel zu entscheiden, vgl. BSG Urteil, vom 03. Juni 2004 - B 11 AL 75/03 R.

2. Zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist die Darlegung erforderlich, dass eine Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist. Dazu genügt nicht die Möglichkeit, Tatsachenfragen mit verallgemeinerungsfähigen Auswirkungen im Verfahren zu klären.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18.05.2011 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die 1971 geborene Klägerin zu 1) und ihre 1995 geborene Tochter, die Klägerin zu 2), stehen seit 2005 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf die am 30.11.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht Detmold den Klägerinnen für den hier streitigen Bewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2009 durch Urteil vom 18.05.2009 zusätzliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 12 Euro (7,68 und 4,32) für den Monat August 2009 zugesprochen. Es hat den Streitgegenstand auf die Höhe der für diesen Monat zustehenden Leistungen beschränkt gesehen. Die Klägerinnen hätten nur gegen den Bescheid vom 01.07.2009, durch den die Leistungen für August 2009 neu festgesetzt wurden, Widerspruch erhoben, nicht jedoch gegen den Bescheid vom 31.07.2009 über die Ablehnung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Der Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 enthalte keine weitergehende Regelung. Bei dem geltend gemachten Mehrbedarf handele es sich nicht um eine abtrennbare Regelung, die einen abgrenzbaren Mehrbedarf darstelle. Über die für August streitige Leistungshöhe sei der Mehrbedarf aber Gegenstand der Überprüfung für diesen Monat. Die Voraussetzungen des Mehrbedarf, den die Kläger mit 71 Euro pro Monat angegeben haben, hat das Sozialgericht nach Beweiserhebung verneint. Es hat sich zur Begründung insbesondere auf ein von Amts wegen eingeholtes Sachverständigengutachten des Internisten Dr. I in I vom 16.11.2010 gestützt, wonach im Ergebnis keine zusätzlichen Kosten durch Krankenkost bei der Klägerin zu 1) aufgrund der geltend gemachten Lactose- und Fructoseunverträglichkeit entstünden. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde belehrt.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem am 04.07.2011 zugestellten Urteil haben die Klägerinnen am 03.08.2011 Beschwerde nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt. Sie meinen, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Es müsse geklärt werden, ob aufgrund der Laktose - bzw. Fruktosemalabsorption ein krankheitsbedingter Ernährungsmehrbedarf gem. § 21 Abs. 5 SGB II bestehe. Die Berufung sei auch zuzulassen, da das angefochtene Urteil von einem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.01.2009 - B 14 AS 166/07 B - abweiche und auf dieser Abweichung beruhe. Das BSG habe dort entschieden, dass bei Laktoseintoleranz ein Mehrbedarf in Höhe von monatlich 71,58 EUR wegen kostenaufwendiger Ernährung bestehe. Auf diesen Beschluss sei das Sozialgericht nicht eingegangen. Das trage der Rechtsprechung des BSG nicht ausreichend Rechnung. Die anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben nach dem Hinweis des Berichterstatters, dass die Nichtzulassungsbeschwerde voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, mit Schriftsatz vom 22.12.2011 vorgetragen, angesichts der Urteile des BSG vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R - und vom 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R - "sei die Beschwerde als Berufung zu werten" und haben gleichzeitig Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 6 AS 105/12 geführt wird. Auf die Anfrage des Gerichts, ob damit die Rücknahme der Beschwerde erklärt werde, haben sie ausgeführt, die Beschwerde werde nicht zurück genommen, es werde beantragt, sie als Berufung umzudeuten. In einem weiteren, später eingegangenen Schriftsatz haben sie die Auffassung vertreten, die Berufung sei auf die Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, und haben auf einen ihrer Ansicht nach ähn...

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