Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Erfolgsaussicht bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Bei der Beurteilung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Dabei ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Die Rechtsverfolgung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden.
2. Die Erfolgsaussicht einer Klage im Zeitpunkt der Klagebegründung bei medizinischen Sachverhalten kann nur dann bejaht werden, wenn Mängel der Sachverständigengutachten oder eine mangelhafte Sachverhaltsaufklärung erkennbar sind. Zur diesbezüglichen Prüfung ist die Einholung von Befundberichten im PKH-Verfahren zulässig.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.03.2008 abgeändert. Dem Kläger zu 1) wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers zu 1) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.03.2008 ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt.
Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Satz 1 ZPO zu bewilligen, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02, SozR 4-1500 § 73 a Nr. 1 = NJW 2003, 3190). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (ausführlich m.w.N. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 7 ff.).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht. Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Beklagten sind weitere Feststellungen erforderlich, weshalb eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen ist.
Der Senat verkennt hierbei nicht, dass in Verfahren mit medizinischem Streitgegenstand zur summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage im PKH-Verfahren auch die Einholung von Befundberichten zulässig ist (LSG NRW, Beschluss vom 17.09.1998 - L 3 B 10/98 RJ; Beschluss vom 19.04.2006 - L 14 B 4/06 R; Beschluss vom 23.11.2004 - L 10 B 17/04 SB; alle Entscheidungen veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), worauf das Sozialgericht den Kläger zutreffend hingewiesen hat. Dies beruht darauf, dass in Verfahren mit medizinischem Streitgegenstand im sozialgerichtlichen Verfahren die Beiziehung von Befundberichten regelmäßig geboten ist, wenn im Verwaltungsverfahren Sachverständigengutachten eingeholt und Grundlage für die Ablehnung der begehrten Leistungen geworden sind. Diese Gutachten sprechen zunächst gegen eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage. Vor diesem Hintergrund kann die Erfolgsaussicht einer Klage im Zeitpunkt der Klagebegründung bei medizinischen Sachverhalten nur dann bejaht werden, wenn Mängel der Sachverständigengutachten oder eine mangelhafte Sachverhaltsaufklärung erkennbar sind. Zu einer diesbezüglichen Prüfung ist die Einholung von Befundberichten im PKH-Verfahren zulässig (LSG NRW, Beschluss vom 17.09.1998 - L 3 B 10/98 RJ).
Im vorliegenden Fall sind indes Feststellungen erforderlich, die über die beschriebenen ersten Ermittlungen zur Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage hinausgehen:
Der Kläger zu 1) erstrebt im Rahmen des § 44 SGB X höhere Unterkunftskosten gem. § 22 SGB II. Er bewohnt mit drei weiteren Personen eine 118 m² große Mietwohnung, für die eine Grundmiete in Höhe von 485.- Euro sowie eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 110.- Euro und sonstige Nebenkosten in Höhe von 175.- Euro, insgesamt 770 Euro zu zahlen sind. Die Beklagte erstattet die Heiz- und Nebenkosten in voller Höhe, die Grundmiete jedoch nur in Höhe von 437,40 Euro. Hierbei geht sie davon aus, dass eine Wohnung mit einer Größe von 90 m² für vier Personen angemessen groß ist. Sie legt einen Quadratmeterpreis in Höhe von 4,86 Euro zu Grunde. Diese Werte hat der kommunale Träger in "Angemessenheitskriterien" festgelegt.
Die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 ...