Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bei Befassung in einem vorgeschalteten Verwaltungsverfahren
Orientierungssatz
1. Ist dem gerichtlichen Verfahren, in dem der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, ein Verwaltungsverfahren vorausgegangen, in welchem der Verfahrensbeteiligte von demselben Anwalt vertreten worden ist, so beträgt die Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr 170.- €. .
2. Bei einem durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, unterdurchschnittlicher Schwierigkeit und unterdurchschnittlicher Bedeutung für den Kläger ist insoweit eine Verfahrensgebühr unterhalb der Mittelgebühr in Höhe von 100.- €. angemessen.
3. Bei der Bemessung der Terminsgebühr ist auf den tatsächlichen Arbeits- und Zeitaufwand für die Terminswahrnehmung abzustellen. Die Dauer eines Termins von 16 Minuten begründet nur einen unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Dafür erscheint die hälftige Mittelgebühr in Höhe von 100.- €. angemessen.
4. Die Einigungsgebühr entsteht als zusätzliche Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Für deren Höhe sind die Kriterien zur Verfahrensgebühr maßgebend. Vor diesem Hintergrund ist die hälftige Mittelgebühr in Höhe von 95.- €. angemessen.
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.02.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung streitig.
Die Klägerin steht im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Schreiben vom 14.07.2010 hörte der Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) die Klägerin wegen einer Überzahlung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 30.06.2010 in Höhe von 337,23 EUR an. Hierzu nahm die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte Stellung. Mit Schreiben vom 21.09.2010 wandte sich der Beklagte erneut schriftlich an die Klägerin und teilte mit, dass eine erneute Überprüfung nicht zu einer anderen Einschätzung der Sach- und Rechtslage geführt habe. Es bleibe bei der festgestellten Überzahlung. Diese sie dem Forderungseinzug Recklinghausen gemeldet worden.
Am 18.10.2010 wandte sich die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, an den Beklagten und teilte mit, die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen habe eine Zahlungsaufforderung vom 23.09.2010 versandt, aus der sich ergebe, dass ein Bescheid vom 21.09.2010 über eine Forderung in Höhe von 337,23 EUR bestehe. Einen solchen Bescheid kenne die Klägerin nicht, sie lege jedoch Widerspruch dagegen ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010 wurde der Widerspruch als unzulässig verworfen, da es einen Bescheid vom 21.09.2010 nicht gebe.
Am 06.12.2010 erhob die Klägerin Klage, S 6 AS 2625/10, mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 21.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten. Mit Beschluss vom 03.05.2011 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Zeit ab dem 08.12.2010 und ordnete die Beschwerdeführerin bei. In der mündlichen Verhandlung am 10.08.2011 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach der Beklagte sich zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten im Streitverfahren S 6 AS 2625/10 verpflichtete. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt.
Am 29.08.2011 hat die Beschwerdeführerin beantragt, ihre Vergütung aus der Staatskasse auf 791,61 EUR festzusetzen und zwar in Höhe von
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 30%-ige Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Einigungsgebühr Nrn. 1006, 1005 VV RVG 190,00 EUR
Geschäftsreise zum Termin Nr. 7003 VV RVG 46,00 km Hin- und Rückweg x 0,30 EUR 13,80 EUR
Geschäftsreise Nr. 7005 VV RVG Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu vier Stunden 20,00 EUR
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7200 VV RVG 20,00 EUR Reisekosten Nrn. 7003-7006 VV RVG Parkgebühren 0,42 EUR
19% Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 126,39 EUR
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts hat die Vergütung am 30.08.2011 auf 415,57 EUR festgesetzt. Die geltend gemachten Verfahrens-, Termins- und Vergleichsgebühren seien unbillig. Dauer, Umfang, Bedeutung und Komplexität des Verfahrens seien unterdurchschnittlich gewesen. Die Verfahrens- und Terminsgebühr werde jeweils mit 100,00 EUR, die Vergleichsgebühr auf 95,00 EUR festgesetzt. Die übrigen geltend gemachten Positionen seien nicht zu beanstanden.
Am 14.09.2011 hat die Beschwerdeführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.08.2011 Erinnerung eingelegt. Sie hat ...