Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung zur Ausübung des Umgangsrechts durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB 2 für den Besuch eines von dem Elternteil getrennt und bei dem anderen Elternteil lebenden Kindes besteht dann nicht, wenn die Eltern zwar räumlich, nicht aber im Sinn des Familienrechts getrennt leben. Haben die Ehegatten einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, so kann dies allein ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen. Begehrt der Antragsteller Leistungen nach dem SGB 2 für den Besuch seiner beiden bei der Mutter im Ausland lebenden Kinder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, so fehlt es an dem hierzu erforderlichen Anordnungsanspruch.
2. Darüber hinaus ist auch der notwendige Anordnungsgrund nicht gegeben. Hierzu ist eine gegenwärtige Notlage mit existenzgefährdendem Ausmaß erforderlich. Leben die Kinder zusammen mit der Mutter aufgrund einer einvernehmlichen Entscheidung ihrer Eltern im Ausland, so ist eine existenzgefährdende Notlage nicht ersichtlich.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.11.2014 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes von dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II für den Besuch seiner beiden in Venezuela lebenden Kinder.
Der 1962 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger. Er lebte seit 2003 mit seiner venezolanischen Ehefrau sowie den gemeinsamen 1998 und 2005 geborenen Söhnen in Venezuela. Im April 2011 kehrte der Antragsteller nach Deutschland zurück, um sich um seine allein lebende und erkrankte Mutter zu kümmern. Seine Ehefrau und seine Söhne blieben in Venezuela, wobei nach dem Willen der Eheleute die eheliche Gemeinschaft fortbestehen sollte. Ein Nachzug der Ehefrau und der Söhne des Antragstellers nach Deutschland ist derzeit für März/April 2015 geplant. Seit April 2011 bezog der Antragsteller mit Unterbrechungen und derzeit laufend seit 01.03.2014 von dem Antragsgegner SGB II-Leistungen, welche ihm mit Bescheid vom 19.02.2014 für 01.03. bis 30.06.2014 sowie mit Bescheid vom 28.05.2014 für 01.07. bis 31.12.2014 jeweils in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende, Mehrbedarfs für Warmwasser und der ihm tatsächlich entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bewilligt wurden.
Am 07.04.2014 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Gewährung von Leistungen für eine Reise zu seinen Söhnen zur Ausübung seines "Umgangsrechts". Zur Begründung führte er aus, er habe seine Söhne zuletzt im Oktober 2011 gesehen. Seitdem habe er nur telefonischen Kontakt zu seinen Kindern, der aufgrund der Preise für ein Telefonat allerdings nur unregelmäßig möglich sei. Ein Kontakt mittels der IP-Telefonie-Software Skype erfolge ein bis zwei Mal pro Woche, gestalte sich aber aufgrund der schlechten Infrastruktur in Venezuela schwierig. Eine zusätzliche Erschwernis bilde die Zeitverschiebung von sechseinhalb Stunden. Der Antragsteller legte darüber hinaus Kostenvoranschläge für Flüge und Unterkünfte vor. Die Kosten für den Flug und 14 Übernachtungen beliefen sich hiernach auf etwa 2.150,00 Euro. Bei seiner Ehefrau und seinen Kindern könne er nicht unterkommen, da diese in beengten Verhältnissen bei seinen Schwiegereltern im Haushalt lebten.
Mit Bescheid vom 07.08.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Er führte aus, die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den eigenen Kindern seien grundsätzlich als Bedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt. Der Antragsteller sei jedoch von seiner Ehefrau weder dauernd getrennt lebend noch geschieden. Er sei nur räumlich getrennt und beabsichtige, die eheliche Gemeinschaft fortzuführen. Sein Bedarf sei von daher nicht unabweisbar. Insbesondere könne er sein Umgangsrecht primär durch eine Familienzusammenführung in Venezuela oder Deutschland verwirklichen. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2014 zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller reichte am 11.11.2014 Klage ein (S 19 AS 4755/14).
Bereits am 04.09.2014 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erhoben. Zur Begründung bezieht er sich auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.03.2014, - L 7 AS 2392/13 B ER -. Danach bestehe ein Anspruch nach dem SGB II auf Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit den eigenen Kindern. Seine Situation sei aufgrund der zeitlich langen Phase des Nichtzusammenlebens mit derjenigen geschiedener Eheleute vergleichbar. Zudem sei seine Rückkehr nach Deutschland nicht aus freien Stücken, sondern aufgrund der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter erfolgt. Ein Abwarten der Hauptsa...