Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer fiktiven Terminsgebühr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Gegen eine Erinnerungsentscheidung des Kostenrechts findet nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200.- €. übersteigt.

2. Der Anwendungsbereich einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG ist auf Verfahren beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Weil für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist die fiktive Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG nicht entstanden, wenn ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren durch ein angenommenes Anerkenntnis seine Erledigung findet.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts S wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 17. Dezember 2012 geändert. Die Rechtsanwaltsvergütung wird auf 541,45 EUR festgesetzt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 2. Halbs. Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.09.2011, Az. L 19 AS 879/10 B, Rn. 20 bei juris sowie Beschluss vom 06.05.2011, Az. L 6 B 20/09 SB, Rn. 16 bei juris, jeweils m.w.N., auch zur abweichenden Auffassung).

Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen eine Erinnerungsentscheidung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG ist auch gegeben (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.09.2011 a.a.O., Rn. 22 bei juris, m.w.N. auch zur abweichenden Auffassung).

Die Beschwerde ist statthaft. Nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 RVG findet die Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine Erinnerung statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 RVG). Vorliegend übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro.

Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist der §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch teilweise begründet.

Dem Sozialgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG nicht entstanden ist. Der Anwendungsbereich dieses Gebührentatbestandes ist auf Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, beschränkt. Auch wenn aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend geschlossen werden kann, dass dies auch im Fall der Erledigung des Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis zu gelten hat, ist die Vorschrift aus systematischen und teleologischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen (vergleiche LSG NRW, Beschluss vom 14. 09. 2011 zum Aktenzeichen L 19 AS 879/10 B, Rn. 42 bei juris; LSG NRW Beschluss vom 8. September 2011 zum Az. L 1 KR 129/11 B, Rn 33 bei juris, jeweils m.w. Rechtsprechungsnachweisen).

Im Ergebnis dahingestellt bleiben kann hier, ob der Auffassung des Sozialgerichts zu folgen ist, anstelle des Gebührenrahmens nach Nummer 3102 gelange nur der Gebührenrahmen nach Nummer 3103, der im Zeitpunkt des damaligen Verfahrens noch nicht weggefallen war, wegen der Befassung des Bevollmächtigten bereits im zur Hauptsache gehörenden Verwaltungsverfahren zur Anwendung. Denn auch wenn keine Identität der Streitgegenstände von einstweiligen Rechtsschutzverfahren und Widerspruchsverfahren gegeben ist, rechtfertigen die beispielsweise im Rahmen der Aktensichtung und Sachverhaltserfassung dennoch auftretenden Synergie-Effekte bei der Bearbeitung beider Verfahren durch den Rechtsanwalt regelmäßig eine Verminderung der Mittelgebühr wegen des geringeren Arbeitsaufwands. In welchem Umfang hier eine Verminderung vorzunehmen ist brauchte nicht im Einzelnen entschieden zu werden, denn selbst bei einer unverminderten Mittelgebühr nach Nummer 3102 von 250 EUR ergibt sich ein Gesamterstattungsbetrag von 547,40 EUR, der nur geringfügig die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14.05.2010 übersteigt. Eine Unterschreitung dieses Betrags im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren kann nicht erfolgen, weil auch hier die Grundsätze der reformatio in peius zu beachten sind (siehe dazu auch den bereits benannten Beschluss des LSG NRW vom 8. September 2011, Rn. 30 bei juris, sowie LSG NRW Beschluss vom 22. August 2011 zum Aktenzeichen L 19 AS 634/10 B, Rn. 43 bei juris - betreffend das Beschwerdeverfahren) und eine Verschlechterung zulasten des Erinnerungsführers nur möglich ist, wenn auch von der Gegenseite Erinnerung eingelegt wurde (was hier nicht geschehen ist).

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56...

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