Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beschäftigung. Unternehmerrisiko. Tantieme. Darlehen, Wille der Vertragsparteien
Orientierungssatz
1. Verleiht die Geschäftsführerordnung einer GmbH dem Gesellschaftergeschäftsführer mit einem minoritären Gesellschafteranteil die Befugnis, einseitige Anweisungen der Geschäftsführerkonferenz ihm gegenüber zu verhindern, so genügt das noch nicht zur Annahme einer Weisungsfreiheit als Voraussetzung einer nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit.
2. Auch eine familiären Verbundenheit innerhalb des Gesellschafterkreises begründet für sich genommen noch nicht die Annahme einer Weisungsfreiheit des Gesellschafter-Geschäftsführers.
3. Bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH kommt einem Beitragsbescheid zur gesetzlichen Unfallversicherung keine Bindungswirkung zu.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 28p Abs. 1 S. 5
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 8.5.2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 15.542,01 Euro festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht am 31.5.2017 (§§ 173 Satz 1, 64 Abs. 2, 63 SGG]) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 9.5.2017 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 8.5.2017 ist unbegründet.
1. Das SG hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.12.2016 gegen den Betriebsprüfungsbescheid vom 12.12.2016 zu Recht abgelehnt. Denn es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nach summarischer Prüfung der Bescheid als rechtmäßig erweisen wird. Zu Recht fordert die Antragsgegnerin darin nach § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2015 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 62.168,04 Euro aufgrund bestehender Versicherungspflicht des an der Antragstellerin mit einem Gesellschaftsanteil von 24% beteiligten Geschäftsführers, dem Beigeladenen zu 1), nach. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung und Meinungsbildung der Beurteilung des SG an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
2. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
a) § 5 Abs. 3, 5 der Geschäftsführerordnung (GO) verleiht dem Beigeladenen zu 1) lediglich innerhalb der Geschäftsführung die Möglichkeit einseitige Anweisungen der Geschäftsführerkonferenz nach § 3 Abs. 2 GO ihm gegenüber zu verhindern. Keine Rechtsmachtverschiebung wird dadurch innerhalb der maßgeblichen Gesellschafterversammlung bewirkt. Dort soll es nach dem Willen der Gesellschafter gerade bei einer Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit und damit dem maßgeblichen Einfluss des Mehrheitsgesellschafters verbleiben, § 6 Abs. 1, 3 Gesellschaftsvertrag (GesV).
b) Eine für den sozialversicherungsrechtlichen Status relevante faktische Weisungsfreiheit ergibt sich ferner nicht aus einer familiären Verbundenheit innerhalb des Gesellschafterkreises der Antragstellerin. Die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R; jeweils juris unter Verweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rdnr. 32).
c) Die ferner angeführte Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist für einen abhängig beschäftigten Gesellschafter-Geschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin. Entsprechendes gilt für die erteilte Einzelvertretungsbefugnis (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, juris).
d) Einer Entscheidung der Antragsgegnerin stand auch nicht der Bescheid der VBG vom 7.2.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) entgegen, da dieser zur Feststellung einer Beschäftigung im Sinne des SGB VII ergangene Bescheid für die Antragsgegnerin nicht bindend ist (zu den Grundsätzen: Senat, Urteil v. 6.5.2015, L 8 R 655/14; Senat, Urteil v. 21.10.2015, L 8 R 67/15, jeweils juris). Die Beiträge zur Unfallversicherung sind nicht mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV gleichzusetzen (Pietrek in: jurisPK-SGB IV, 3. Auflage, § 7a Rdnr. 90 m.w.N.; ...