Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Vermittler von Versicherungsverträgen und Kapitalanlagen
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein Vermittler von Versicherungsverträgen und Kapitalanlagen an Weisungen seines Auftraggebers nicht gebunden und nicht in dessen Betrieb eingegliedert, so ist es für dessen Zuordnung als selbständig Tätiger unbeachtlich, wenn er kein nennenswertes unternehmerisches Risiko zu tragen hat.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 7.10.2019 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.888,27 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 10 BA 73/19 beim SG Duisburg anhängigen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15.6.2016 in der Gestalt der Bescheide vom 8.12.2016 und vom 16.10.2018 und des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2019 angeordnet.
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erlassenen Bescheide, mit denen sie von der Antragstellerin Beiträge und Umlagen in Höhe von 51.553,08 Euro für die Tätigkeiten des Herrn E B (im Folgenden: B) für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2014 und des Herrn L K (im Folgenden: K) für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2013 jeweils als Vermittler von Bausparverträgen, Versicherungsverträgen, Kapitalanlagen etc. nachfordert.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung einer schon erfolgten Vollziehung anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. vgl. z. B. Beschl. v. 15.6.2020 - L 8 BA 139/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, da deren Erfolg überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht mehr dafür als dagegen, dass sich die angefochtenen Bescheide in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen werden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Duisburg Bezug, denen er sich inhaltlich vollumfänglich anschließt (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Die schlüssig begründete Auffassung des SG, K sei auf der im Wesentlichen selben vertraglichen Grundlage für die Antragstellerin tätig gewesen wie B, hat sich durch Nachreichung des zwischen der Antragstellerin und K geschlossenen "Mitarbeitervertrages" vom 8.8.2006 im Beschwerdeverfahren bestätigt.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die streitbefangenen Bescheide nicht gem. § 77 SGG bestandskräftig...