Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Prozesskostenhilfe ist u. a. dann nicht zu gewähren, wenn ein günstiges Ergebnis der eingeleiteten Beweisaufnahme unwahrscheinlich bzw. die Erfolgschance nur eine entfernte ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Voraussetzungen der PKH ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs. Das Gericht darf nicht zuwarten und durch entsprechende Ermittlungen die Frage des Erfolgs endgültig klären.

2. Ob der Klage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Erfolgsaussicht fehlt, ist für die Bewilligung der PKH im erstinstanzlichen Klageverfahren unbeachtlich.

 

Tenor

Dem Kläger wird auf seine Beschwerde für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F, B, bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX).

Mit Bescheid vom 12.02.2007 stellte der Beklagte bei dem 1958 geborenen Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigungen

1. Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB 30)

2. Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke (Einzel-GdB 10)

3. Knieleiden bds., operierter Meniskusschaden links (Einzel-GdB 20)

einen GdB von 40 fest. Im September 2007 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB sowie die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG". Das Versorgungsamt T holte einen Befundbericht der Hausärztin des Klägers E T vom 08.10.2007 und des Orthopäden Dr. N vom 18.10.2007 mit jeweils weiteren Fremdarztberichten ein. Nach Auswertung dieser Unterlagen lehnte es die Feststellung eines höheren GdB sowie des Nachteilsausgleichs "aG" mit Bescheid vom 06.11.2007 ab. Der Widerspruch des Klägers vom 03.12.2007, mit dem dieser eine wesentliche Verschlechterung seiner Leiden mit stationärem Aufenthalt Anfang 2007 geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 15.07.2008 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 22.07.2008 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund auf Feststellung eines höheren GdB erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt F beantragt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen.

Das SG hat die Akte des vom Kläger betriebenen Rentenstreitverfahrens S 34 R 54/08 beigezogen. Mit Beschluss vom 17.08.2009 hat es den PKH-Antrag des Klägers abgelehnt, da der Klage die erforderliche Erfolgsaussicht fehle. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf den Inhalt der in dieser Akte befindlichen Gutachten aus den Jahren 2007 (Gutachten Dres L und K) und 2008 (Gutachten Dres H und S) gestützt.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 07.09.2009 Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, dass sich die Erfolgsaussicht seines Klagebegehrens aus einem Attest seines Arztes Dr. A vom 04.09.2009 ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Kläger ist für das Klageverfahren PKH zu bewilligen.

Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73 a Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist der Fall, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers für zumindest vertretbar hält. Sind Beweiserhebungen notwendig, so kann die Erfolgsaussicht in der Regel nicht verneint werden. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn ein günstiges Ergebnis der eingeleiteten Beweisaufnahme unwahrscheinlich bzw. die Erfolgschance nur eine entfernte ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a Rn 7a; ständige Rspr des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 31.03.2009, L 6 B 31/09 AS). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Voraussetzungen der PKH ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Bewilligungsgesuchs, d.h. derjenige Zeitpunkt, in dem alle für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Tatsachen gem. §§ 117, 118 Zivilprozessordnung (ZPO) aus dem Vortrag des Antragstellers und den Akten zu entnehmen sind (so auch - teilweise mit abweichender Begründung - LSG Schleswig Holstein, Beschluss vom 16.12.2001, L 8 B 71/01 RA PKH = Breithaupt 2002, 663; Leitherer, a.a.O., § 73a Rn 7d; Knittel in Hennig, SGG, § 73a Rdnr. 15; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, Kapitel VI Rdnr. 71; Reichold in Thomas/Putzo, 27. Aufl. 2005, § 119 Rn 4; Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 119 Rn 44; LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 01.12.2005, L 10 R 4283/05 PKH-B; aA Wax in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 114 RdNr. 161). Anderenfalls würde der Zweck der Prozesskostenhilfe, auch dem Bedürftigen Rechtsschutz zu ermöglichen,...

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