Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beschwerde. Hinreichende Aussicht auf Erfolg. Beweisaufnahme. Sachverständige Zeugenaussage. Befundbericht. GdB. Nachteilsausgleich RF

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Teilt das Sozialgericht dem Kläger mit, es werde erst nach Befragung sachverständiger Zeugen über seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe entscheiden, kann der Kläger hiergegen Beschwerde einlegen.

2. Holt das Sozialgericht Aussagen sachverständiger Zeugen ein, so bietet die Klage regelmäßig hinreichende Aussicht auf Erfolg.

 

Normenkette

SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 106; ZPO § 114 S. 1, § 118 Abs. 2

 

Tenor

Dem Kläger wird auf seine Beschwerde für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. M., F., bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem zum 01.07.2001 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) sowie darüber, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) vorliegen.

Mit Bescheid vom 21.10.1999 stellte der Beklagte bei dem 1950 geborenen Kläger wegen der Behinderungen 1. Alkoholkrankheit im Stadium der Heilungsbewährung (Einzel-GdB 30) 2. Wirbelsäulenfunktionsstörung (Einzel-GdB 20) 3. Schulter-Arm-Syndrom (Einzel-GdB 20) 4. Depressive Verstimmung (Einzel-GdB 10) 5. Migräne, hyperkinetisches Herzsyndrom (Einzel-GdB 10) einen GdB von 40 fest. Im August 2004 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB sowie die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF". Der Beklagte holte einen Befundbericht des Orthopäden Dr. T. vom 02.09.2004 mit weiteren röntgenologischen Arztbriefen, einen Bericht der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. vom 03.09.2004, einen Bericht des HNO-Arztes L. vom 01.09.2004 und einen Bericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin N. vom 12.10.2004 ein. Nach Auswertung dieser Unterlagen lehnte er die Feststellung eines höheren GdB sowie des Nachteilsausgleichs "RF" ab (Bescheid vom 04.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom 25.01.2005).

Der Kläger hat am 09.02.2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin N. beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, dass seine Beschwerden infolge eines im März 2004 erlittenen Hörsturzes erheblich seien. Er leide unter einer deutlichen Hörminderung und Druckgefühl auf beiden Ohren. Außerdem trete plötzlicher Schwindel mit Übelkeit und Erbrechen auf. Er sei bereits häufiger einfach umgefallen. Darüber hinaus habe sich die bekannte Wirbelsäulenfunktionsstörung seit 1999 zunehmend verschlechtert. Nunmehr liege ein chronisches Schmerzsyndrom vor, das zu erheblichen psychischen Belastungen führe. Auch leide er unter permanenten Kopfschmerzen und sei dauerhaft auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Das SG hat die Einholung von Befundberichten der Ärzte L. und Dr. T. verfügt und dem Kläger unter dem 13.06.2005 mitgeteilt, dass über den PKH-Antrag nach Vorlage der Befundberichte entschieden werde.

Hiergegen hat der Kläger am 23.06.2005 Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, die Mitteilung des SG verzögere die Entscheidung über den Antrag auf PKH und komme damit einer beschwerdefähigen Ablehnung gleich. In der Sache dokumentiere das Gericht durch die Einholung der Arztberichte, dass es die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung bejahe.

Das SG hat dem Kläger mitgeteilt, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht noch nicht angenommen werden könne, wenn das Gericht zunächst sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte einhole, um zu prüfen, ob ein Gutachten erforderlich sei. Die Regelung des § 118 Abs. 2 ZPO zeige, dass nicht jede Ermittlungstätigkeit des Gerichts die erforderliche Erfolgsaussicht begründe. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Nichtabhilfebeschluss vom 21.07.2005).

Am 11.07.2005 ist der Befundbericht des HNO-Arztes L. eingegangen. Dieser hat die Bezeichnung der vom Beklagten festgestellten Leiden auf HNO-Gebiet für vollständig und zutreffend angesehen.

II. Die Beschwerde ist zulässig auch wenn ein förmlicher Beschluss des SG über den Antrag auf PKH nicht vorliegt. Das Sozialgericht hat durch die an den Kläger gerichtete Mitteilung vom 13.06.2005 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass derzeit eine Entscheidung über die PKH nicht beabsichtigt sei, weil zunächst Befundberichte eingeholt würden. Eine solche Mitteilung kommt in der Sache einer ablehnenden Entscheidung gleich (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73 a Rn 12 e; BVerfG, Beschluss vom 19.07.2001, 2 BvR 1175/01; BayVGH, Beschluss vom 06.08.1996, 7 C 96.1262). Mit der späteren Begründung dieser Auffassung und der Nichtabhilfeentscheidung hat das SG zudem an seiner Absicht festgehalten, über den Antrag auf PKH derzeit förmlich nicht entscheiden zu wollen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Kläger ist für das Klageverfahren PKH zu bewilligen.

Voraussetzung für die Ge...

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