Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. Verfahrensgebühr. Berücksichtigung von nur nach Wirksamwerden der Beiordnung erfolgten Tätigkeiten
Orientierungssatz
Im Fall der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe kann bei der Bemessung der Verfahrensgebühr lediglich auf den nach Wirksamwerden der Beiordnung erfolgten Arbeits- und Zeitaufwand abgestellt werden.
Tenor
Entsprechend dem Beschwerdeantrag des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.04.2010 abgeändert, die PKH-Vergütung des Beschwerdegegners auf 500,99 Euro festgesetzt und die Erinnerung des Beschwerdegegners vom 14.05.2010 zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG).
Die Kläger des ursprünglichen Klageverfahrens bezogen von der ... in B... GmbH Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Klage vom 17.09.2009 begehrten sie die Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 17.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2009 und beantragten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Erklärungen über die wirtschaftlichen und persönlichen Voraussetzungen überreichten sie in einem Termin am 19.04.2010, in dem sie sich mit dem beklagten Leistungsträger in der Sache verglichen. Prozesskostenhilfe ist mit Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.04.2010 (S 28 AS 236/09), bestätigt durch Beschluss des Landessozialgerichts NRW vom 13.10.2010 (L 6 AS 928/10 B) ab dem 19.04.2010 bewilligt worden.
Mit Schreiben vom 19.04.2010 hat der Bevollmächtigte der Kläger folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV/RVG |
550,00 Euro |
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- |
Einschließlich Gebührenerhöhung Nr. 1008 um 1,2 wegen 5 Auftraggebern |
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG |
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV/RVG |
190,00 Euro |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG |
20,00 Euro |
Abzgl. Beratungsschein Nr. 2503 VV/RVG |
- 77,00 Euro |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG |
167,77 Euro |
Gesamtbetrag |
1.050,77 Euro |
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat am 21.04.2010 die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 500,99 Euro festgesetzt. Da bereits eine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren vorausgegangen sei, sei die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV/RVG entstanden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Beiordnungszeitraum (ab 19.04.2010) keine Schriftsätze mehr gefertigt, sondern lediglich ein (mit der Terminsgebühr abgegoltener) Erörterungstermin durchgeführt worden sei, könne höchstens eine Verfahrensgebühr in Höhe des Doppelten der Mindestgebühr, also in Höhe von 40,00 Euro als angemessen angesehen werden, die nebst der Gebührenerhöhung um 1,2 wegen 5 Auftraggebern auf insgesamt 88,00 Euro festzusetzen sei.
Gegen die Festsetzung hat der Klägerbevollmächtigte am 14.05.2010 “Sofortige Beschwerde, hilfsweise Rechtsmittel„ erhoben und nunmehr eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV/RVG in Höhe der Mitteigebühr von 170,00 Euro zzgl. der Gebührenerhöhung wegen 5 Auftraggebern geltend gemacht. Das SG hat der Erinnerung mit Beschluss vom 01.09.2010 (Az S 28 SF 101/10 E) stattgegeben und die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 841,33 Euro festgesetzt. Bei der Beurteilung des objektiven Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Verfahrensgebühr sei der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand, den der Anwalt im Verfahren aufgewendet habe und nicht nur der Aufwand nach Beiordnung in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Gegen diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen am 14.09.2010 Beschwerde eingelegt. Seiner Auffassung nach finde die Berücksichtigung der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe erst ab dem Bewilligungszeitpunkt statt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die aus der Staatskasse im Rahmen der PKH zu zahlende Vergütung des Bevollmächtigten der Kläger ist auf den Beschwerdeantrag des Bezirksrevisors mit 500,99 Euro festzusetzen.
Über die Beschwerde entscheidet der erkennende Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter im Sinn von §§ 56 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG, auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Senat gibt seine vorige andere Praxis auf. Der Kammervorsitzende eines Sozialgerichts entscheidet über eine Kostenerinnerung nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtlichen Richter, da diese gem. § 12 Abs. 1 S. 2 ...