Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Beschluss des LSG Essen vom 27.6.2006 - L 11 B 30/06 KA ER, der vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.04.2006 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin (Ag.) das von der Antragstellerin (Ast.) vertriebene Medikament Rifun als sogenanntes "Me-Too-Präparat" bezeichnen und auf eine im Internet zugänglichen Liste führen darf.

Die Ast. vertreibt seit ca. 1995 als Lizenznehmerin der Fa. B Q AG das patentgeschützte Präparat Rifun (Wirkstoff Pantoprazol), mit dem sie nach eigener Angabe ca. ¼ ihres Gesamtumsatzes erzielt. Es handelt sich um einen Protonenpumpenhemmer (-inhibitor (PPH)), der zur Behandlung von Magengeschwüren und leichten Formen der Refluxkrankheit zugelassen ist. Pantoprazol entfaltet im Vergleich zu dem bereits etablierten Wirkstoff Omeprazol eine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkung. Präparate, deren Wirkstoffe denen bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich sind, werden seit ca. 2 Jahrzehnten als Analogpräparate (Schrittinnovationen, Me-Too-Präparate) bezeichnet. Nach der Klassifikation von Fricke/Klaus werden neue Arzneimittel nach dem angestrebten therapeutischen Effekt wie folgt unterschieden:

- Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz (Kategorie A),

- Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien (Kategorie B),

- Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten (Kategorie C) und

- Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien (Kategorie D).

Pantoprazol ist nach dieser Kategorisierung in dem Arzneiverordnungsreport seit 1995 (Herausgeber T/Paffrath) der Kategorie C zugeordnet. Die im Auftrag der Spitzenverbände vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellte GKV-Arzneimittel Schnellinformation (GAmSi) legt der Darstellung der Anteile einzelner Marktsegmente am Gesamtmarkt für den Anteil der Me-Too-Präparate die Klassifikation in der im Arzneiverordnungsreport veröffentlichten Fassung zugrunde. Mit Beschluss vom 15.06.2004 hat der Gemeinsame Bundesausschuss Rifun in eine Festbetragsgruppe der Stufe 2 mit anderen PPH eingeordnet (BAnz. Nr. 182 vom 25.09.2004). Für diese Festbetragsgruppe haben die Spitzenverbände der Krankenkassen mit Wirkung vom 01.01.2005 einen Festbetrag festgesetzt, der mit Beschluss vom 10.02.2006 zum 01.04.2006 neu niedriger festgesetzt worden ist.

Die Ag. hat mit den beigeladenen Krankenkassen gem. § 84 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Wirkung vom 01.01.2006 für das Kalenderjahr 2006 eine Vereinbarung für das Arzneimittel- und Verbandmittelausgabevolumen (Arzneimittelvereinbarung) getroffen (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, S. 82 ff.). Das Ausgabevolumen für Arznei- und Verbandmittel beträgt danach im Jahr 2006 2,68 Milliarden Euro. In § 4 Abs. 2 der Arzneimittelvereinbarung werden arztbezogene individuelle Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsziele geregelt und zwar (Nr. 1) eine Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 % Punkte sowie (Nr. 2) eine Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Verordnungsanteils des Bruttoumsatzes der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 % Punkte. Auf der Basis der für das Kalenderjahr 2005 vorliegenden GAmSi-Zahlen werden insoweit für einzelne Arztgruppen Zielwerte angegeben. Gemäß § 5 Abs. 2 verpflichtet sich die Ag. u.a. zur Unterrichtung der Vertragsärzte über den Abschluss und die Bedeutung der Vereinbarung sowie die Notwendigkeit der Veränderung des Verordnungsverhalten. § 7 Abs. 1 sieht die individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes vor, wenn das vereinbarte Ausgabevolumen insgesamt überschritten und der einzelne Vertragsarzt das für das Kalenderjahr maßgebliche Richtgrößenvolumen überschritten und mindestens 1 der in § 4 Abs. 2 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Nach Abs. 2 erhalten in diesem Fall die Krankenkassen einen "Zielerreichungsbeitrag" in Höhe von 4 % des im Kalenderjahr 2006 zuerkannten GKV-Honorars. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen.

Die Ag. hat die Vertragsärzte mit der Übersendung der Arzneimittelinformation 3/2005 anfangs 2006 über die für sie geltenden Richtgrößen und die Zielwerte für Generika und Me-Too-Präparate informiert und auf die Bedeutung der Einhaltung der Zielvorgaben hingewiesen. Dem Schreiben war eine Tabelle der Me-Too-Präparate, die nach dem damaligen Stand bei der GAmSi berücksichtigt wurden sowie eine auf dem Arzneiverordnun...

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