Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung vorläufiger Leistungen der Grundsicherung bei unzureichender Darstellung der Einkommensverhältnisse des Antragstellers

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger hat nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2 i. V. m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 SGB 3 eine vorläufige Entscheidung über einen Leistungsantrag zu treffen, wenn zur Feststellung des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Antragsteller die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat, vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011 - B 4 AS 119/10 R.

2. Der Leistungsträger ist dabei verpflichtet, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln. Der Antragsteller ist verpflichtet, auf Aufforderung eine Aufstellung seiner tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten Zeitraum sowie diesbezügliche Nachweise vorzulegen.

3. Ist der Antragsteller unter Hinweis auf die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung gehört worden, so kann der Leistungsträger die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen versagen, wenn der Antragsteller einen vollständigen Nachweis seiner Einnahmen nicht erbringt, vgl. BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 - 4 RA 44/94.

 

Tenor

Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 27.11.2012 werden zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1966 geborene Antragsteller ist als Gebäudeenergieberater selbständig tätig. Mit Bescheid vom 31.08.2011 und Änderungsbescheid vom 08.03.2012 bewilligte der Antragsgegner ihm im Hinblick auf das noch nicht feststehende Einkommen aus der selbständigen Beschäftigung vorläufig nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 29.02.2012. Auf einen Fortzahlungsantrag vom 24.02.2012 wurden mit Bescheid vom 21.03.2012 - wiederum vorläufig - Leistungen für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis zum 31.08.2012 gewährt. Wegen eines Rechenfehlers erging hierzu am 25.04.2012 ein Änderungsbescheid.

Bei der Berechnung des mutmaßlichen Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit legte der Antragsgegner in beiden Bewilligungszeiträumen die vom Antragsteller in seiner Prognose (Anlage EKS zum Leistungsantrag) geschätzten Angaben zu Einnahmen und Ausgaben sowie Gewinnen zugrunde. Mit Schreiben vom 16.03.2012 bat der Antragsgegner den Antragsteller um Vorlage von Nachweisen bzgl. des tatsächlich erzielten Einkommens aus der Selbständigkeit, um eine abschließende Leistungsberechnung für den Zeitraum 01.09.2011 - 29.02.2012 vornehmen zu können. Er fügte ein entsprechendes auszufüllendes Formblatt bei und forderte unter Fristsetzung zum 30.04.2012 Nachweise wie Rechnungen, Belege, Kontoauszüge o.ä. über die Einnahmen und Ausgaben an. Komme der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht nach, so könne das Einkommen geschätzt werden. Mit weiterem Schreiben vom 02.05.2012 wiederholte der Antragsgegner die Aufforderung unter zusätzlicher Anforderung des Einkommenssteuerbescheides 2011 und wies auf die Mitwirkungsverpflichtung des Antragstellers gem. §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie auf die Versagungsmöglichkeit gem. § 66 SGB I hin. Am 01.06.2012 hörte der Antragsgegner den Antragsteller gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu seiner Absicht an, die Leistungen gem. § 66 SGB I ab 01.07.2012 zu versagen bzw. die im Zeitraum September 2011 bis Februar 2012 bewilligten Leistungen zurückzufordern, wenn der Antragsteller keine abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im genannten Zeitraum mache. Der Antragsteller reichte im Folgenden lediglich den Einkommenssteuerbescheid 2011 ein, aus dem sich ein Verlust aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 2.486 Euro ergibt. Eine Anfrage des Antragsgegners beim Finanzamt Borken ergab, dass dort die Gewinnermittlung nur anhand der Voranmeldungen geschätzt wurde.

Mit Schreiben vom 16.07.2012 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass das Steuerrecht dem SGB II nicht in allen Bereichen gleichzusetzen sei und Einnahmen und Ausgaben aus der Selbständigkeit unterschiedliche Berücksichtigung fänden. Zur abschließenden Abrechnung der vorläufig gewährten Leistungen für die Monate 01.09.2011 bis 29.02.2012 werde daher darum gebeten, das tatsächlich erzielte Einkommen nachzuweisen. Hierzu möge der anliegende Vordruck bis spätestens 17.08.2012 ausgefüllt und Nachweise beigefügt werden. Komme der Antragsteller der Verpflichtung nicht nach, könne das Einkommen geschätzt werden.

Mit weiterem Schreiben vom 17.07.2012 erinnerte der Antragsgegner den Antragsteller daran, dass der Bewi...

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