Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Übernahme des nach § 109 SGG erstellten Gutachtens auf die Landeskasse

 

Orientierungssatz

1. Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens sind dann nicht auf die Landeskasse zu übernehmen, wenn es keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geleistet hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn es entweder inhaltlich zu anderen Erkenntnissen geführt oder objektiv wenigstens Veranlassung geboten hat, von Amts wegen weitere Ermittlungen einzuleiten.

2. Wenn ein später von Amts wegen eingeholtes Gutachten lediglich die Unrichtigkeit des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens bestätigt, ist eine Kostenübernahme auf die Staatskasse nicht angezeigt. In einem solchen Fall hat von vorneherein kein objektiver Grund für weitere Ermittlungen von Amts wegen bestanden.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 26.4.2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zutreffend entschieden, dass die Kosten des nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. A vom 18.1.2014 nebst ergänzender Stellungnahme vom 2.3.2016 nicht auf die Landeskasse zu übernehmen sind.

Nach § 109 Abs 1 Satz 2 SGG hat der Beteiligte, auf dessen Antrag ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört wird, die Kosten vorzuschießen und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig zu tragen. Eine "andere Entscheidung des Gerichts" (nämlich eine vollständige oder teilweise Übernahme von Kosten auf die Landeskasse) kommt in Betracht, wenn das Gutachten für die Entscheidung oder den sonstigen Ausgang des Rechtsstreits wesentliche Bedeutung gewonnen hat (vgl. Kolmetz in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 109 Rdn 15; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 109 Rdn 16 a mwN) und zum Rechtsfrieden beiträgt. Ein Sachverständigengutachten hat für den Ausgang des Rechtsstreits wesentliche Bedeutung gewonnen, wenn der Sachverständige dem Gericht neue rechtserhebliche medizinische Erkenntnisse verschafft, und das Gutachten dadurch die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts objektiv wesentlich fördert (stRspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 27.3.2018, Aktenzeichen (Az) L 18 KN 28/17 B; vom 20.6.2017, Az L 18 R 677/15 B mwN; vom 4.10.2016, Az L 18 R 1106/14; vom 28.3.2014, Az L 18 KN 18/14 B; vom 8.2.2012, Az L 18 R 567/11 B und vom 14.02.2011, Az L 18 R 1100/10 B).

Hier liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. A vom 18.1.2014 (einschließlich der ergänzenden Stellungnahme vom 2.3.2016) hat keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geleistet. Das Gutachten hat (1) weder inhaltlich zu anderen Erkenntnissen geführt (neue entscheidungserhebliche Tatsachen festgestellt oder neue medizinische Lehrmeinungen eingeführt) noch (2) objektiv wenigstens Veranlassung geboten, von Amts wegen weitere Ermittlungen einzuleiten.

(1) Das Gutachten hat keine neuen Tatsachen festgestellt oder neue medizinische Beurteilungsansätze aufgezeigt. Dazu genügt nicht, dass die Sachverständige sowohl in der Diagnose als auch in der Leistungsbeurteilung von dem nach § 106 SGG beauftragten Sachverständigen H abweicht. Tatsachen, auf die diese Abweichung gestützt werden könnte, sind nämlich nicht erwiesen.

Der Sachverständige H hat in seinem Gutachten vom 12.6.2013 dem Kläger auf nervenärztlichem Gebiet verschiedene seelische Störungen (undifferenzierte Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz unter fibromyalgieformen Erscheinungsbild, anhaltend depressive Beschwerdesymptomatik im Sinne einer Dysthymie bei Persönlichkeitsakzentuierung mit abhängigen und selbstunsicheren Zügen) festgestellt. Er hat den Kläger trotz der damit verbundenen Funktionseinschränkungen noch für in der Lage gehalten, körperlich leichte Tätigkeiten (bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen) vollschichtig zu verrichten. Er konnte allerdings die geklagte Intensität der Schmerzen nicht nachvollziehen und eine depressive oder sonstige psychiatrische Symptomatik, die zu zeitlichen Leistungseinschränkungen führte, nicht bestätigen.

Dr. A hat in ihrem Gutachten vom 18.1.2014 demgegenüber auf psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung, schwere Episode, ohne psychotische Symptome, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, eine Fibromyalgie und eine Persönlichkeitsstörung vom abhängigen selbstunsicheren Typ festgestellt und gemeint, aufgrund der daraus resultierenden Einschränkungen könne der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten für drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.

Diesen Ausführungen der Sachverständigen Dr. A kommt keine wesentliche Bedeutung bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung zu, weil sie schon im Ansatz nicht zugrunde gelegt werden können. Die Sachverständige hat zur Über...

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