Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Übersetzungskosten als einmaliger Bedarf durch Bewilligung eines Darlehens

 

Orientierungssatz

1. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 sind bedarfsdeckend und damit abschließend. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe schließt § 3 Abs. 3 S. 2 SGB 2 ausdrücklich aus.

2. Die einmalige Übernahme von Übersetzungskosten einer für das Betreiben eines Scheidungs- und Sorgerechtsverfahrens benötigten Urkunde stellt keinen unabweisbaren, laufenden und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums i. S. des § 23 SGB 2 dar.

3. Ob die Übersetzungskosten zumindest als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB 2 zu übernehmen sind, wirft eine Rechtsfrage auf, die bisher noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist. Für ein entsprechendes Verfahren ist daher bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2010 geändert. Der Klägerin wird zur Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt O aus L beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und in der Sache begründet. Denn das Sozialgericht (SG) Duisburg hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 30.04.2010 ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Klägerin begehrt die Übernahme von Kosten für das Übersetzen eines Dokuments aus dem E bezüglich ihrer Scheidung und des Sorgerechts für ihre Kinder als Zuschuss, hilfsweise als Darlehn. Für einen Zuschuss ist eine Anspruchsgrundlage nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht erkennbar. Bezüglich des Darlehens kann nicht von vornherein eine hinreichende Erfolgsaussicht ausgeschlossen werden.

a) Die Klägerin, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das SGB II enthält keine Anspruchsgrundlage für die Verurteilung des Grundsicherungsträgers zur Übernahme von Übersetzungskosten als Zuschuss.

Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehr- bzw. Sonderbedarfes gemäß § 21 oder § 23 Abs. 3 SGB II sind nicht erfüllt. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 SGB II decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe schließt § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich aus. Damit hat die Gesetzgebung zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bedarfsdeckend und abschließend sind (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 17).

b) Die Kläger kann einen solchen Leistungsanspruch auch nicht aus dem Grundgesetz (GG) herleiten. Zum einen bedarf ein solcher Anspruch grundsätzlich der legislativen Ausgestaltung. Denn die Verfassung kann nur den tragenden Grund für eine Leistungsgewährung setzen, (erst) das einfache Recht liefert Inhalt und Schranken der Berechtigung (Seiler, JZ 2010, S. 500, 504). Zum anderen ist eine Leistungsgewährung im vorliegenden Kontext verfassungsrechtlich nicht geboten.

Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - BGBl. I S. 193) entschieden, dass die Regelleistung des § 20 SGB II nicht denjenigen besonderen, laufenden, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf zu erfassen vermag, der zwar seiner Art nach berücksichtigt wird, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Tritt in Sondersituationen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auf, erweise sich die Regelleistung als unzureichend. Auch hier könnten einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II ausgeglichen werden. Bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf sei das indessen nicht mehr möglich. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff. SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Anspruch entstehe aber erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Dieser zusätzliche Anspruch dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in...

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