Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerwiegender sozialer Grund bei der Erforderlichkeit des Umzugs i. S. von § 22 Abs. 2a SGB 2
Orientierungssatz
1. Nur schwerwiegende soziale Gründe rechtfertigen eine Verpflichtung des kommunalen Trägers zur Zustimmung zum Umzug des Hilfebedürftigen i. S. von § 2 Abs. 2a SGB 2, mit der Folge, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach dem Umzug zu gewähren sind.
2. Nicht jede familiäre Auseinandersetzung stellt einen schwerwiegenden sozialen Grund dar. Streitigkeiten über alltägliche Dinge rechtfertigen eine Zustimmung zum Umzug ebensowenig wie jede familiäre Auseinandersetzung. Solange es dem hilfebedürftigen Familienmitglied zumutbar erscheint, solche Probleme auszuhalten und zu lösen, ist ein schwerwiegender Grund zu verneinen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 03.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller ab 01.07.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Regelleistungen und Kosten der Unterkunft) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu erbringen.
Der 1989 geborene Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 09.05.2005 gemeinsam mit seinem Bruder K und dessen Verlobten, bei Antragstellung im 9. Monat schwanger, bei der Antragsgegnerin die Übernahme von Wohnkosten. Die Wohnung werde ab dem 01.06.2007 durch den Bruder und dessen Verlobte angemietet. Der Antragsteller sei bereit, mit in die Wohnung zu ziehen, da der Mietpreis ansonsten nicht angemessen wäre. Zugleich wurden Haushaltsgegenstände als Erstausstattung beantragt.
Am 11.05.2007 wurde eine Mietbescheinigung vom 10.05.2007 vorgelegt. Darin sind als Mieter der Bruder des Antragstellers und dessen Verlobte aufgeführt. Die mit Mietvertrag vom 10.05.2007 auch tatsächlich zum 01.06.2007 angemietete Dreizimmerwohnung weist eine Gesamtfläche von 94,26 m² auf bei einem monatlichen Mietzins von 390 EUR zzgl. 140 EUR Betriebskosten und 100 EUR Heizkosten.
Mit Bescheid vom 15.05.2007 lehnte die Antragsgegnerin die Zusicherung für die Übernahme anteiliger Unterkunfts- und Heizkosten ab. Es lägen keine schwerwiegenden Gründe nach § 22 Abs. 2a SGB II vor, die eine Zusicherung erlaubten. Vielmehr sei lediglich vorgetragen worden, die Wohnung sei ansonsten nicht angemessen. Allerdings seien die Unterkunftskosten auch für einen vier-Personen-Haushalt unangemessen. Die Obergrenze im Kreis Minden-Lübbecke liege bei 490 EUR. Die Wohnung sei demnach 40 EUR zu teuer. Sofern der Antragsteller trotz allem umziehe, könnten Kosten der Unterkunft und Heizung nicht gewährt werden und die Regelleistung nur zu 80 %.
Am 29.05.2007 meldete sich der Antragsteller zum 01.06.2007 von seiner bisherigen Wohnanschrift F Straße 00 zur Anschrift X Weg 00 ab.
Mit Widerspruch vom 14.06.2007 trug der Antragsteller vor, er habe nicht mehr in der Wohnung seiner Eltern leben können, da es "immerwährend zu Streitigkeiten mit seinen Schwestern" komme. Hier habe man eine Lösung finden müssen. Sein Bruder habe sich daraufhin bereit erklärt, ihn bei sich aufzunehmen.
Am 14.06.2007 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Detmold beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 01.07.2007 Arbeitslosengeld II sowie den Mietanteil für seine neue Wohnung zu gewähren. Es sei für ihn unzumutbar, im Hause seiner Eltern zu verbleiben. Dies wünsche seine Mutter auch nicht. Dies habe das Sozialamt zu akzeptieren. Es sei auch schon eine Kündigung der Wohnung angedroht worden. Diese hätte auch Auswirkungen für die Familie seines Bruders und das am 00.06.2007 geborene Kind.
Der Antragsteller hat zur Glaubhaftmachung des Antrags überreicht:
Schriftwechsel mit der Immobilienverwaltung S. Mit Schreiben vom 11.06.2007 war angekündigt worden, vom Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen, wenn die gesamte Miete für Juni 2007 nicht gezahlt werde. Es müsse geklärt sein, wie die Mietzahlung in Zukunft bei Verweigerung der Übernahme der Gesamtmiete durch die Antragsgegnerin gesichert sei. Nur bei einem befriedigenden Ergebnis könne der Mietvertrag aufrecht erhalten bleiben.
Eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter vom 20.05.2007 in deutscher Sprache: Sie habe den Antragsteller aufgefordert, sich wegen ständiger Auseinandersetzungen mit seinen Geschwistern eine andere Wohnung zu suchen. Ein harmonisches Familienleben sei nicht mehr möglich gewesen; es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen. Sie habe ihn vor die Wahl gestellt, auszuziehen oder das Jugendamt einzuschalten. Der Antragsteller dürfe nur noch zu Besuch kommen, wenn sein Vater auch in der Wohnung sei.
Auf eine entsprechende Nachfrage des Sozialgericht hat der Antragsteller mitgeteilt, es habe des Öfteren Streitigkeiten gegeben, gehäuft ab dem Zeitpunkt seiner Aushilfstätigkeit. Vornehmlich habe er...