Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründetheit einer Anhörungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Eine erfolgreiche Anhörungsrüge setzt voraus, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen. Es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen.

2. Je umfangreicher das Vorbringen ausfällt, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht der klägerischen rechtlichen Würdigung nicht folgt.

3. Geltend gemachte Verstöße gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 GG werden vom Anhörungsverfahren nicht erfasst.

4. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt dann vor, wenn dem Betroffenen durch die Entscheidung grobes Unrecht zugefügt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist.

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 26.05.2010 wird zurückgewiesen. Die mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 10.05.2010 gestellten Beweissicherungsanträge werden nochmals abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Anhörungsrügeverfahren wird abgelehnt.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 178 a Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhobene Anhörungsrüge ist zulässig. Gegen den Beschluss des Senats vom 26.05.2010 ist nach § 177 SGG ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben (§ 178 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Nach Zustellung des Beschlusses am 07.06.2010 ist die Anhörungsrüge innerhalb der 2-wöchigen Frist des § 178 a Abs. 2 Satz 1 SGG am 14.06.2010 erhoben worden.

Die Rüge ist unbegründet.

Eine erfolgreiche Anhörungsrüge setzt nach § 178 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG voraus, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts soll der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Grundgesetz/GG, §§ 62, 128 Abs. 2 SGG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, um sicherzustellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 08.11.2006, Az.: B 2 U 5/06 C, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert dagegen weder die Richtigkeit der Tatsachenermittlung durch das Gericht noch die Zugrundelegung der Rechtsansicht eines Beteiligten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 16.06.1987, Az.: 1 BvR 1113/86). Vielmehr erfordert es das Gebot rechtlichen Gehörs, dass das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Dagegen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch zu folgen. Im Rahmen der Verpflichtung zur Erwägung des Vortrags von Beteiligten ist das Gericht ferner nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen; es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen. Je umfangreicher das Vorbringen ausfällt, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln (BSG, Beschluss vom 28.09.2006, Az.: B 3 P 1/06 C, Rn. 7, m.w.N.).

Hiervon ausgehend verletzt der Beschluss des Senats vom 26.05.2010 nicht den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör.

Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, dass es der Senat in dem angegriffenen Beschluss für zumutbar gehalten hat, dass sie zunächst den ihr bewilligten rutschfesten Bodenbelag ohne Dämmunterlage verlegt, um der vorgetragenen erheblichen Sturzgefahr vorzubeugen. Sie könne somit der vorgetragenen Sturzgefahr durch schlichtes Gebrauchmachen von der mit Bescheid vom 09.10.2009 ausgesprochenen Kostenzusage begegnen, soweit der Vermieter ihr eine diesbezüglich etwa erforderliche Zustimmung erteile.

Insoweit trägt die Antragstellerin vor, tatsächlich könne ein rutschfester Bodenbelag ohne Dämmunterlage nach Erlass einer Zustimmung der Vermieterin gerade nicht verlegt werden, so dass ein schlichtes Gebrauchmachen von der mit Bescheid vom 09.10.2009 ausgesprochenen Kostenzusage erst nach Aufhebung der Nebenbestimmung mit Bescheid vom 09.10.2009 möglich sei. Hierbei handele es sich um eine präventive Ablehnung der Übernahme einer Leistung nach § 554a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die eine Zustimmung des Vermieters von vornherein gegenstandslos mache. Hierauf habe sie im Eilverfahr...

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