Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren zum Abschluss einer Rabattvereinbarung im Rahmen einer Arzneimittelausschreibung
Orientierungssatz
1. Beim Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen handeln die gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB. Der nach § 130 a Abs. 8 SGB 5 abgeschlossene Arzneimittelrabattvertrag ist ein öffentlicher Lieferauftrag nach § 99 GWB.
2. Die Voraussetzung in der Ausschreibung, dass das jeweilige Arzneimittel mit einem Pharmaunternehmer in der Lauer-Taxe aufgeführt wird, verstößt weder gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot noch gegen das Diskriminierungsverbot und das Gebot der Produktneutralität. In gleicher Weise gilt dies für eine Stichtagsregelung. Die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe schließt eine Diskriminierung pharmazeutischer Unternehmer aus, weil der Zugang zu ihr inländischen wie ausländischen Herstellern mit ihren Produkten offensteht.
3. Eine Stichtagsregelung ist durch das Transparenzgebot gerechtfertigt. Bestimmte Erzeugnisse, Verfahren, Ursprungsorte und Bezugsquellen dürfen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist.
4. Im Rahmen der Ausschreibung sind nach § 97 Abs. 3 GWB Interessen mittelständischer Unternehmen hinreichend Rechnung zu tragen. Dies geschieht in zulässiger Weise durch die Aufteilung in Fach- und Gebietslose.
Tenor
Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2009 (VK 3-31/09) über den 29.04.2009 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) - ein pharmazeutisches Unternehmen, das sich u.a. mit Herstellung und Vertrieb von Generikaprodukten befasst - wendet sich in der Hauptsache gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Arzneimittelrabattausschreibung.
Die Antragsgegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (zunächst) 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen (Angebotsfrist: 03.11.2008). Das Gebietslos 1 umfasst die ... Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die ... Rheinland-Hamburg und ... Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die ... Hessen und ... Plus (ca. 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die ... Baden-Württemberg, ... Rheinland-Pfalz sowie ... Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die ... Berlin, ... Brandenburg, ... Bremen/Bremerhaven, ... Mecklenburg-Vorpommern, ... Niedersachsen, ... Sachsen-Anhalt und ... Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.
Gegenstand der Ausschreibung waren zunächst die folgenden 64 Wirkstoffe:
Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT)
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
HCT
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Lisinopril + HCT
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil
Im Hinblick auf den Wirkstoff Olanzapin ist die Ausschreibung zwischenzeitlich aufgehoben worden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das für diesen Wirkstoff bestehende Patent wieder hergestellt hat und jeglicher Vertrieb von generischem Olanzapin in der Bundesrepublik daraufhin eingestellt werden musste (Urteil vom 16.12.2008 - X ZR 89/07).
Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen Rabatt-ApU für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 durch Bekanntmachung vom 10.09.2008 - Abl. EG 2008/S 175-232638 - sog. Stichtag) im Sortiment hat. Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, wird in einem 14-tägigen Rhythmus aktualisiert und enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (IFA) gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Pa...