Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Absenkung von Arbeitslosengeld 2
Orientierungssatz
1. Unterbleibt aufgrund einer vom Leistungsträger des SGB 2 nach § 31 SGB 2 vorgenommenen Absenkung des Arbeitslosengeldes 2 die Zahlung eines Anteils der Regelleistung, so ist ein dagegen gerichtetes vorläufiges Rechtsschutzbegehren dahin auszulegen, dass es die Verpflichtung des Trägers zur Zahlung der nicht abgesenkten Leistung umfasst.
2. Bis zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Absenkungsbescheides ist der Adressat des aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung ergangenen Bescheides von den darin festgelegten Pflichten entbunden. Damit kann das Unterlassen von Handlungspflichten aus einem nicht bestandskräftigen Eingliederungsbescheid für den Leistungsempfänger keine nachteiligen Folgen haben. Anderenfalls wäre dieser trotz aufschiebender Wirkung faktisch genötigt, der Handlungspflicht nachzukommen, um nachteilige Folgen mit Sicherheit zu vermeiden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 20. Juni 2006 bis 31. August 2006 Leistungen in Höhe von 914,81 Euro monatlich zu zahlen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) um die Rechtmäßigkeit einer Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II im Zeitraum vom 01.06.2006 bis 31.08.2006.
Die im Jahre 1955 geborene Antragstellerin ist Reiseverkehrskauffrau und staatlich geprüfte Betriebswirtin. Seit Mai 1994 ist sie arbeitslos. Seitdem hat sie an einer Fortbildung "Telekommunikationsanwendung" (DAA/O vom 06.05.1996 bis 02.05.1997), einer Trainingsmaßnahme vom 02.06.1998 bis 12.06.1998, einer Trainingsmaßnahme "Coaching-Kurs" (10.10.2001 bis 23.11.2001) und einem Bewerbungstraining (24.08.2005 bis 31.08.2005) teilgenommen. Nach Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 150,15 Euro wöchentlich bis zum 31.12.2004 zahlt die Antragsgegnerin seit Januar 2005 SGB II-Leistungen. Zuletzt bewilligte sie mit Bescheid vom 09.11.2005 - für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 - neben der Regelleistung in Höhe von 345 Euro auch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,81 Euro (insgesamt 914,81 Euro).
Da eine Eingliederungsvereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht zustande kam, legte diese mit Bescheid vom 15.12.2005 u.a. fest, dass die Antragstellerin in der Zeit vom 15.12.2005 bis 14.12.2006 - vorbehaltlich einer anderen Regelung - alle Möglichkeiten zu nutzen habe, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten, an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, mindestens acht Bewerbungen pro Monat zu erstellen, sich auch bei befristeten Stellen, bei Zeitarbeitsfirmen und auch initiativ zu bewerben, sich auf jede zumutbare Stelle zu bewerben und bei den Bewerbungsbemühungen das Internet, die gelben Seiten und die aktuelle Presse zu nutzen habe. Die Eigenbemühungen seien monatlich, beginnend ab 17.01.2006, nachzuweisen. Diese Verpflichtungen dienten der Förderung der Motivation und des Engagements. Der Bescheid enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgender Passage: " Wenn Sie nicht bereit sind, die in diesem Bescheid festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Maße Eigenbemühungen nachzuweisen, wird das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für Sie maßgebenden Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) abgesenkt ... Dies gilt nicht, wenn Sie einen wichtigen Grund für Ihr Verhalten nachweisen (§ 31 Abs. 1 SGB II)."
Den Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2006 zurück. Sie führte aus, die Antragstellerin habe mehrfach die ihr vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnet. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht in Düsseldorf (S 23 AS 103/06), die noch anhängig ist.
Anlässlich einer Vorsprache auf Einladung der Antragsgegnerin am 30.03.2006 legte die Antragstellerin nach dem Inhalt des BewA-Vermerk 11 Absagen von Arbeitgebern aus der Zeit vom 18.10.2005 bis 22.02.2006, einen Internetausdruck der Jobbörse der M-City-Line vom 17.01.2006 und einen handschriftlichen Vermerk vor, nach dem sie sich am 28.02.2006 mit einem weiteren Arbeitgeber in Verbindung gesetzt habe. Die zuständige Vermittlerin hielt fest, die Antragstellerin habe diese Unterlagen als Eigenbemühungen verstanden wissen wollen und erklärt, dass die Erstellung von acht Bewerbungen im Monat unangemessen und nicht machbar sei. Eine Mappe, in der sich nach Aussage der Antragstell...