Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Gewährung von Prozesskostenhilfe. Anforderung an die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Streit um die Gewährung von Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Für die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebotene hinreichende Erfolgsaussicht genügt im Streit um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitslose, dass die Anwendung eines Leistungsausschlusses (hier: Anwendung eines Leistungsausschlusses wegen Bezugs von Ausbildungsleistungen bei berufsfördernde Bildungsmaßnahmen von behinderten Menschen) bzw. die Anrechnung von Einkommen (hier: bezogenen Ausbildungsgeld als Einkommen aus Erwerbstätigkeit) rechtlich umstritten ist und insoweit eine Klärungsbedürftigkeit besteht.

2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens hinreichender Erfolgsaussicht einer Klage als Voraussetzung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (hier: bejaht).

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 09.12.2013 geändert. Den Klägern zu 2) und 3) wird für das erstinstanzliche Klageverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin X bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 7a). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt werden (vgl. BSG Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R, Rn. 26).

Gemessen an diesen Vorgaben liegen die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kläger zu 2) und 3) vor, denn für die von ihnen erhobene Klage besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht.

Der Beklagte hat das diesen Klägern von der Bundesagentur gewährte Ausbildungsgeld gemäß § 122 SGB Drittes Buch (SGB III) in Höhe von monatlich jeweils 216 EUR der Leistungsgewährung lediglich vermindert um eine Versicherungspauschale i.H.v. 30 EUR als Einkommen zugrundegelegt und Leistungen entsprechend gemindert. Demgegenüber streben die Kläger die Berücksichtigung weiterer Absetzbeträge gemäß § 11b Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an. Nach derzeitigem Verfahrensstand ist es jedenfalls nicht völlig fernliegend, dass die Kläger damit durchdringen. Umstritten ist allerdings bereits, inwieweit der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 SGB II hier greift. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des LSG NRW erfasst dieser Leistungsausschluss nicht berufsfördernde Bildungsmaßnahmen, die speziell auf behinderte Menschen ausgerichtet sind und nicht behinderten Menschen nicht offen stehen (Urteil vom 13.03.2014, L 9 AS 310/13 - anhängig beim Bundessozialgericht zum Aktenzeichen B 14 AS 25/14 R). Ein Klageerfolg der Kläger zu 2) und 3) setzt weiterhin voraus, dass das Ihnen gewährte Ausbildungsgeld als Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzusehen ist. Wann eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne vorliegt, wird durch das Gesetz nicht näher geregelt. Allgemein wird davon ausgegangen, dass mit dem Erwerbstätigenfreibetrag der Sinn und Zweck verfolgt wird, einen Anreiz zur Ausübung einer Beschäftigung zu bieten und damit auch ihren Fortbestand zu sichern (siehe Schmidt in Eicher, Kommentar zum SGB II, dritte Auflage 2013, § 11b Rn. 39). Der Erwerbstätigenfreibetrag ist mithin für Einkommen aus einer erwerbsbezogenen Tätigkeit zu gewähren. Um derartiges Einkommen kann es sich jedoch beispielsweise auch bei einer Sozialleistung handeln, wenn sie anstelle des Arbeitsentgelts tritt (siehe Urteil des BSG vom 13.05.2009 zum Az. B 4 AS 29/08 R zum Insolvenzgeld). Krankengeld hingegen stellt eine Entgeltersatzleistung und kein Erwerbseinkommen dar, weil es zwar für eine bestimmte Tätigkeit gewährt wird, diese jedoch wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verrichtet werden kann (siehe Urteil des BSG vom 27.09.2011 zum Az. B 4 AS 180/10 R). Welcher Art die hier fragliche Tätigkeit wa...

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