Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Begründetheit der Untätigkeitsklage trotz Überschreitens der sechsmonatigen Sperrfrist

 

Orientierungssatz

1. Für die nach § 88 Abs. 1 SGG zulässige Untätigkeitsklage gilt eine Sperrfrist von sechs Monaten, es sei denn, der Prozessgegner hat einen zureichenden Grund gehabt, innerhalb von sechs Monaten den gestellten Antrag nicht zu bescheiden.

2. Hat die Behörde nach Eingang der Widerspruchsbegründung zeitnah die erforderlichen Ermittlungen eingeleitet, den Widerspruchsführer rechtzeitig darüber informiert, dass zur Entscheidung die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich ist, und durfte die Behörde davon ausgehen, dass der Kläger mit einer Entscheidung erst nach Abschluss der weiteren Ermittlungen einverstanden ist, so obliegt es dem Kläger, vor Einleitung des Gerichtsverfahrens den Sachstand des Widerspruchsverfahrens zu erfragen.

3. In einem solchen Fall verstößt der Kläger gegen das sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Entscheidet der Beklagte nach Abschluss der erforderlichen Ermittlungen unverzüglich über den Widerspruch, so ist die erhobene Untätigkeitsklage trotz Überschreitens der sechsmonatigen Sperrfrist unbegründet.

 

Normenkette

SGG § 88 Abs. 1

 

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 24.01.2012 werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die am 00.00.1965 geborene Klägerin zu 1) wohnt mit ihren drei Kindern, dem am 00.00.1989 geborenen Kläger zu 2), der am 00.00.1993 geborenen Klägerin zu 2) und der am 00.00.2003 geborenen Klägerin zu 4) zusammen. Die Kläger haben von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen.

Mit acht Schriftsätzen vom 31.03.2011 beantragten die Prozessbevollmächtigten im Namen der Klägerinnen zu 1), zu 3) und 4) die Überprüfung der Leistungsbescheide betreffend acht Bewilligungsabschnitte, beginnend ab dem 01.04.2007, u.a. für den Leistungszeitraum vom 01.05.2010 bis 31.10.2010. Sie führten aus, dass die Begründung einem gesonderten Schreiben vorbehalten bleibe. Vorab bäten sie um Übersendung von Kopien sämtlicher Leistungsbescheide für den vorgenannten Zeitraum. Eine legitimierende Vollmacht würden sie nachreichen. Die Schreiben gingen per Telefax beim Beklagten am 31.03.2011 ein. Mit Schreiben vom 15.06.2011, eingegangen beim Beklagten am 21.06.21011, erinnerten die Prozessbevollmächtigten an die Übersendung der jeweiligen Leistungsbescheide. Daraufhin forderte der Beklagte mit Schreiben vom 28.06.2011 die Prozessbevollmächtigten auf, die angekündigte Vollmacht zu übersenden. Mit Schreiben vom 04.07.2011, eingegangen beim Beklagten am 06.07.2011, übersandten die Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht der Klägerin zu 1). Daraufhin übersandte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20.07.2011 die Leistungsbescheide. Mit drei Schriftsätzen vom 29.08.2011, eingegangen beim Beklagten am 02.09.2011, begründeten die Prozessbevollmächtigten die Überprüfungsanträge. Sie machten u. a. geltend, dass der Freibetrag für das Kindergeld des Klägers zu 2) nicht berücksichtigt worden sei, der Auszug eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft und die damit verbundene Erhöhung der Kosten für Unterkunft und Heizung für die verbleibenden Mitglieder entsprechend dem Kopfteilprinzip nicht beachtet worden sei, die Heiz- und Betriebskostennachforderung aus November 2007, August 2008, Juni 2009 und November 2010 sowie Mieterhöhungen in den Jahren 2008 und 2009 nicht berücksichtigt worden seien, der Kläger zu 2) trotz Bezugs einer Ausbildungsvergütung ab November 2009 weiter Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei und bei der Klägerin zu 4) ab Februar 2010 ein zu hoher Betrag an Kindergeld angerechnet worden sei. Den Schreiben waren die Heiz-und Betriebskostennachforderung aus November 2007, August 2008, Juni 2009 und November 2010 beigefügt. Mit Schreiben vom 22.09.2011 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten mit, dass er zur abschließenden Bearbeitung der Überprüfungsanträge dringend die Nachweise über die Höhe und den Zufluss der Ausbildungsvergütung des Klägers zu 2) benötige. Er forderte die Nachweise für die Zeit vom 24.08.2009 bis heute an, damit das zu berücksichtigende Einkommen entsprechend berechnet werden könne. Mit Schreiben vom 16.11.2011 erinnerte der Beklagte an die Erledigung seines Schreibens vom 22.09.2011 und wies darauf hin, dass die abschließende Bearbeitung der Überprüfungsanträge vom 31.03.2011 nicht ohne die angegebenen Nachweise erfolgen könne. Daraufhin übersandten die Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.12.2011 den Ausbildungsvertrag des Klägers zu 2).

Durch Bescheid vom 24.01.2012, adressiert an die Klägerin zu 1), stellte der Beklagte fest, dass die Leistungsbescheide vom 24.09.2007, 05.12.2007, 02.06.2008, 17.05.2008, 16.10.2008, 27.08.2009. 20.01.2010, 21.04.2010 und 25.10.2010 betreffend den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.03.201...

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