Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsregelung
Orientierungssatz
1. Gegen einen Beschluss zur nachträglichen Aufhebung einer zuvor gewährten Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde auch dann zulässig, wenn die Entscheidung allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gestützt wird, da insoweit § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht anwendbar ist.
2. Legt der Betroffene im Rahmen der Nachprüfung einer vormaligen PKH-Bewilligung eine zuvor eingeforderte vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse jedenfalls im Beschwerdeverfahren vor, so hat er die geforderte Handlung wirksam nachgeholt, so dass bei weiterem Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen von einer nachträglichen Aufhebung der gewährten Prozesskostenhilfe abzusehen ist.
Normenkette
SGG §§ 73a, 172 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Abs. 1 Nr. 2; EGZPO § 40
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 30.07.2014 aufgehoben.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 30.07.2014, mit dem der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 06.07.2011 aufgehoben wurde, ist statthaft.
Der mit Wirkung zum 01.04.2008 neu eingeführte § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht anwendbar. Nach dieser Regelung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Norm des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst schon nach ihrem Wortlaut ausschließlich die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, nicht dagegen die nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73 a SGG, die hier zur Überprüfung gestellt ist. Auch der Entstehungsgeschichte (hierzu BT-Drucksache 16/7716, S. 106) ist nicht zu entnehmen, dass eine erweiternde Auslegung im vorliegenden Kontext angezeigt wäre (LSG NRW Beschluss vom 02.03.2011 - L 7 AS 194/11 B mwN).
Die Beschwerde ist begründet.
Zutreffend hat das SG auf § 124 ZPO in der bis zum 31.12.2013 geltenden Gesetzesfassung (aF) abgestellt. Die zum 01.01.2014 durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts (PKH/BerHÄndG) vom 31.08.2013 (BGBl I 2013, 3533) neugefasste Vorschrift des § 124 Abs. 1 ZPO (n.F.), in der das Wort "kann" durch das Wort "soll" ersetzt wurde, ist hier nicht anzuwenden. Nach der Übergangsregelung in § 40 EGZPO (s Art. 5 PKH/BerHÄndG) sind für einen Rechtszug die §§ 114 bis 127 ZPO in der bis zum 01.01.2014 geltenden Fassung anzuwenden, wenn eine Partei vor dem 01.01.2014 für den Rechtszug PKH beantragt hat (anders LSG Thüringen Beschluss vom 06.05.2014 - L 4 AS 1421und 1422/12 B, juris Rn. 16 - 18: Übergangsregelung anscheinend übersehen). Entscheidend für die anzuwendende Fassung der §§ 114 bis 127 ZPO ist der Zeitpunkt des Eingangs des PKH-Antrags bei Gericht (s BT-Drs 17/11472, 46; Straßfeld, SGb 2014, 176), hier 22.02.2011.
Nach § 124 Nr. 2 kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe u. a. dann aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Nach jener Vorschrift hat sie sich auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Dies hatte die Klägerin bis zum Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung versäumt. Erst nach Zustellung des Beschlusses hat sie die von dem SG mehrfach (und ergebnislos) angeforderte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen eingereicht. Damit ist sie ihrer Obliegenheit aus § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nachgekommen, so dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der PKH nachträglich entfallen sind. Die angeforderte Erklärung konnte im Beschwerdeverfahren wirksam nachgeholt werden (LSG NRW Beschluss vom 02.03.2011 - L 7 AS 194/11 B mwN; Beschluss vom 29.11.2010 - L 19 AS 1640/10 B). Bei der vom Gericht gesetzten Frist nach § 124 Nr. 2 Fall 2, § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO handelt es sich nicht um eine Ausschlussfrist; im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Senats eine originär dem Sozialgericht zugewiesene Ermessensentscheidung im Rechtsmittelzug nicht nur auf etwaige Ermessensfehler hin, sondern in vollem Umfang unter Berücksichtigung auch neuen Vorbringens in der 2. (Tatsachen-)Instanz zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 29.09.2014 - L 6 AS 1124/14 B). Bei dieser Frist handelte es sich jedoch nicht um eine Ausschlussfrist, so dass die Erklärung im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen