Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Nachholung der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Beschwerdeverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Nach § 73 Abs. 6 S. 5 SGG sind Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an den Bevollmächtigten des Prozessbeteiligten zu richten, wenn ein solcher bestellt ist. Eine erteilte Vollmacht wirkt auch über die Beendigung des Hauptsacheverfahrens hinaus fort. Damit ist eine Aufforderung des Gerichts zur Mitteilung wesentlicher Änderungen bei bewilligter PKH nach § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Nr. 2 ZPO ausschließlich an den Bevollmächtigten zu richten.
2. Fehlt es sonach an einer wirksamen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung, so ist ein Beschluss des Sozialgerichts, durch den die Bewilligung der PKH aufgehoben worden ist, durch das Beschwerdegericht wiederum aufzuheben.
3. Bei der Frist nach § 124 Nr. 2 Alt. 2, § 120 Abs. 4 ZPO handelt es sich nicht um eine Ausschlussfrist. Infolgedessen kann die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.
4. Bei einem Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO erwächst ein ablehnender PKH-Beschluss nicht in materielle Rechtskraft. Ein erneuter PKH-Antrag scheitert im Bewilligungsverfahren damit nicht an einer Rechtskraft des ablehnenden PKH-Beschlusses.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 09.03.2012 aufgehoben.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 09.03.2012, mit dem der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 08.08.2007 aufgehoben wurde, ist statthaft.
Der mit Wirkung zum 01.04.2008 neu eingeführte § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Nach dieser Regelung ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Norm des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst schon nach ihrem Wortlaut ausschließlich die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, nicht dagegen - wie hier den Fall - die nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a SGG. Auch der Entstehungsgeschichte (hierzu BT-Drucksache 16/7716, S. 106) ist nicht zu entnehmen, dass eine erweiternde Auslegung im vorliegenden Kontext angezeigt wäre (LSG NRW, Beschluss vom 02.03.2011 - L 7 AS 194/11 B; LSG NRW, Beschluss vom 02.09.2008 - L 7 B 228/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 29.11.2010 - L 19 AS 1640/10 B).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend. Gemäß § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht gegenüber einer Partei, deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich geändert haben, innerhalb von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens den Beschluss ändern.
Vorliegend kann dahinstehen, ob das SG ohne jeden konkreten Anlass im Rahmen einer rein routinemäßigen Überprüfung eine Aufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO Satz 2 ZPO an die Klägerin richten durfte (ablehnend LSG BW -, Beschlüsse vom 09.06.2011, L 13 AS 120/11 B und vom 11.07.2011 - L 2 AS 1462/11 B unter Hinweis auf den Beschluss LSG NRW vom 07.12.2009 - L 19 B 41/09 AL). Denn jedenfalls wurde das Verfahren nicht fehlerfrei durchgeführt. Zumindest fehlt es an einer wirksamen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2, § 124 Nr. 2 ZPO. Die Aufforderung zur Mitteilung wesentlicher Änderungen wurde an die Klägerin persönlich und damit nicht an den zutreffenden Adressaten gerichtet. Sie hätte gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG an den Prozessbevollmächtigten gerichtet werden müssen. Danach sind, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten. Einer neuen Bevollmächtigung von Rechtsanwalt H für das Überprüfungsverfahren bedurfte es indes nicht. Er war bereits vor Erlass des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 08.08.2007 als Bevollmächtigter gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG bestellt und hatte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst gestellt. Seine Vollmacht ist nicht erloschen, so dass von der Fortdauer der Bestellung zum Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Die ihm von der Klägerin erteilte Vollmacht wirkt auch über die Beendigung des Hauptsacheverfahrens am 06.11.2008 hinaus. Hieraus wi...