Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Sozialhilfeleistungen für einen von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossenen Ausländer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen.
2. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG ist freizügigkeitsberechtigt, wer sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung in Deutschland aufhält. Ein Arbeitsverhältnis über eine nur wenige Tage andauernde Probezeit belegt lediglich eine Bereitschaft zur Arbeitsuche; ein den Status als Arbeitnehmer begründendes Arbeitsverhältnis ist hierdurch nicht belegt.
3. Sind Anhaltspunkte zur Erlangung von Sozialhilfe i. S. des Ausschlussgrundes nach § 23 Abs. 3 S. 1 1. Alt. SGB 12 nicht ersichtlich, so sind dem Hilfebedürftigen bei einem Aufenthalt von mehr als sechs Monaten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 23 SGB 12 Leistungen der Sozialhilfe zu gewähren (BSG Urteil vom 20. 1. 2016, B 14 AS 35/15 R).
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGB XII § 21 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; FreizügG § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2, §§ 4, 11 Abs. 1 S. 11; SGG § 86b Abs. 2 Sätze 2, 4; ZPO § 920 Abs. 2, § 294
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.05.2016 geändert. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab 23.02.2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in in Form des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt und wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt von den erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen die Hälfte.
Gründe
I.
Streitig ist die Verpflichtung der Beigeladenen, der Antragstellerin ab dem 23.02.2016 Leistungen nach dem SGB XII für längstens sechs Monate zu gewähren.
Die Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben reiste sie Ende 2012 nach Deutschland ein. Vom 15.07.2013 bis zum 31.12.2013 war sie zunächst als Hilfskraft beschäftigt. Nach Verlust des Arbeitsplatzes bezog sie anschließend bis zum 31.05.2014 Arbeitslosengeld I. Ab dem 01.06.2014 bis zum 31.12.2014 war sie mit einem monatlichen Einkommen von 460 Euro in Teilzeit tätig. In der Folge bezog sie erneut Arbeitslosengeld I bis zum 30.06.2016. Zuletzt bewilligte ihr der Antragsgegner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2015 (Bescheid vom 08.06.2015). Den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.11.2015 ab. Der Arbeitnehmerstatus der Antragstellerin ende zum 31.12.2015. Sie verfüge daher über ein alleiniges Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche und sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin Widerspruch ein.
Am 23.02.2016 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie sei ohne Einkünfte, weswegen Eilbedürftigkeit gegeben sei. Zwar sei sie sich bewusst, dass EU-Bürger, die nur kurzfristig tätig gewesen seien, einen Anspruch auf SGB II - Leistungen nur für sechs Monate besäßen. Allerdings habe sie innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jahren, wenn auch mit Unterbrechungen, insgesamt mehr als ein Jahr gearbeitet. Dass die Beschäftigung ununterbrochen erfolgt sein müsse, sei den einschlägigen EU-Richtlinien nicht zu entnehmen. Insofern bestünde nach wie vor ein Arbeitnehmerstatus.
Der Antragsgegner trat dem entgegen. Die gesetzlichen Regelungen ließen nur den Schluss zu, dass eine mehr als einjährige Tätigkeit bestanden haben müsse, welche nicht durch Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen gewesen sei. Ein Arbeitnehmerstatus bestünde daher vorliegend nicht mehr.
Die Beigeladene vertrat die Auffassung, dass sich für die Antragstellerin kein Leistungsanspruch aus dem SGB XII ergebe.
Das Sozialgericht hat die Beigeladene mit Beschluss vom 10.05.2016 verpflichtet, der Antragstellerin ab 23.02.2016 für längstens sechs Monate Regelleistung sowie Kosten der Unterkunft zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin sei zwar nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Allerdings ergebe sich ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Die Kammer folge insofern der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Urteilen vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R). Auch sei ein Anordnungsgrund sowohl für den Regelbedarf als auch für die Kosten der Unterkunft gegeben. Die Kammer sei in ständiger Rechtsprechu...