Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Kosten der Beschulung in einer Förderschule im Rahmen der Eingliederungshilfe durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage nicht möglich, so ist im Weg einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Geht es dabei darum, das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, so hat regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers, ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden, gegenüber der Sicherstellung des Antragstellers zurückzutreten.
2. Hierzu zählt die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung für einen jungen behinderten Menschen mit einer Entwicklungsverzögerung, die sich in Auffälligkeiten im Bereich des Konzentrationsvermögens, der Aufmerksamkeit und in ausgeprägten Artikulationsstörungen äußert.
3. Die Hilfen zur angemessenen Schulbildung stehen unter dem Vorbehalt der Prüfung unverhältnismäßiger Mehrkosten. Bestehen erhebliche Zweifel an der Eignung einer bestimmten Schule für das behinderte Kind und ist aufgrund der bestehenden Erkrankung durch einen Wechsel dorthin eine Gefährdung des Integrationszieles zu befürchten, so sind dem Sozialhilfeträger die erheblichen Mehrkosten der Beschulung in der entfernt liegenden Förderschule im Rahmen der Eingliederungshilfe bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache durch einstweilige Anordnung vorläufig aufzuerlegen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.02.2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Übernahme der Kosten für den Besuch der T-S-Schule in C (Niedersachsen) im Rahmen der Vorschriften über die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuches - SGB XII - (§§ 53 ff. SGB XII).
Der am 17.06.2001 geborene und bei seinen Eltern in der Stadt W lebende Antragsteller leidet unter einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung, die unter anderem durch eine ausgeprägte Artikulationstörung gekennzeichnet ist. Zudem bestehen Auffälligkeiten im Bereich des Konzentrationsvermögens und der Aufmerksamkeit. In der Zeit von August 2005 bis Juli 2008 besuchte der Antragsteller den heilpädagogischen Sonderkindergarten B in C, wofür der Antragsgegner die Besuchs- und Fahrtkosten im Rahmen sozialhilferechtlicher Vorschriften bis zum Beginn der Schulpflicht übernahm (Bescheide des Antragsgegners vom 17.12.2004 und vom 22.08.2007). Mit Bescheid vom 12.06.2007 und vom 11.06.2008 stellte das Schulamt für den Kreis H aufgrund § 19 SchulG NRW i. V. m. § 13 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (AO-SF) einen sonderpädagogischen Förderbedarf mit Förderungsschwerpunkt "Geistige Entwicklung" fest.
Mit Schreiben vom 16.06.2008 beantragte der Antragsteller durch seine gesetzlichen Vertreter die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-S-Schule in C, die ebenso wie der zuvor besuchte heilpädagogische Sonderkindergarten von dem Verein für heilpädagogische Hilfe C1 e.V. getragen wird. Zur Begründung machte der Antragsteller geltend, die Anfahrt zu der örtlich zuständigen Förderschule im Bundesland Nordrhein-Westfalen, der N-Schule in H, beanspruche pro Strecke mindestens eine Stunde. Diese Anfahrtszeit führe aufgrund des individuell ausgeprägten Bewegungsdrangs zu Konzentrationsdefiziten in der ersten Schulstunde. Da schon die Eingewöhnung in den räumlich angrenzenden Kindergarten längere Zeit beansprucht habe, sei die Einschulung vor Ort wesentlich einfacher und entwicklungsfördernder als eine solche in H. Schließlich könne die bestehende Sprachstörung in C auch effektiver behandelt werden, da die dort tätige pädagogische Fachkraft für Lesen und Schreiben auch die notwendige logopädische Therapie abdecken könne. Inwieweit in H logopädische Therapien möglich seien, sei hingegen ungewiss.
Mit Bescheid vom 17.07.2008 lehnte der Antragsgegner die Kostenübernahme ab. Zuständige Schule sei gemäß dem insoweit bindenden Bescheid des Schulamtes des Kreises H die N-Schule in H. Diese schulrechtliche Entscheidung beinhalte zugleich die Feststellung der Zumutbarkeit des Anfahrtsweges. Diese Schule sei auch grundsätzlich in der Lage, den Antragsteller zum Schuljahr 2008/2009 aufzunehmen. Gemäß § 9 SGB XII solle zwar den Wünschen eines Leistungsberechtigten bzw. der Eltern entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich sei, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden könne; der Träger der Sozialhilfe solle in der Regel jedoch Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden seien. Letzteres sei vorliegend deshalb zu befürchten, weil die N-Schule eine ausreichende Besch...