Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Beschulungskosten für ein behindertes Kind im Wege der Eingliederungshilfe
Orientierungssatz
1. Zu den Eingliederungshilfeleistungen gehören nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB 12 Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist aber lediglich die Hilfeleistung zu einer angemessenen Schulbildung. Damit kann nicht jedwede Hilfeleistung, insbesondere keine nach den Vorstellungen des Hilfeempfängers bzw. seiner Erziehungsberechtigten bestmögliche Schulbildung als Eingliederungshilfe verlangt werden.
2. Die Hilfen zur angemessenen Schulbildung stehen unter dem Vorbehalt der Prüfung unverhältnismäßiger Mehrkosten nach § 9 Abs. 2 S. 3 SGB 12. Fallen bei einer integrativen Beschulung eines behinderten Kindes mit zusätzlichen Kosten für einen Integrationshelfer gegenüber dem Besuch einer Förderschule Mehrkosten in Höhe von monatlich 2.000.- €. an, so führen diese dazu, dass ein Wahlrecht des Antragstellers nicht besteht, wenn der Besuch der Förderschule geeignet ist, dem Kind eine angemessene Schulbildung angedeihen zu lassen.
3. Nur in einem extremen Ausnahmefall sind von dem Träger der Eingliederungshilfe unverhältnismäßige Mehrkosten der Beschulung eines behinderten Kindes zu übernehmen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 24.11.2008 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die durch seinen Besuch der T-S-Schule C entstehenden Kosten als Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) zu übernehmen.
Bei dem am 00.00.2002 geborenen und bei seinen Eltern in C1, Kreis H/Nordrhein-Westfalen, unweit der Landesgrenze zu Niedersachsen wohnhaften Antragsteller besteht seit dem Säuglingsalter eine schwerwiegende Entwicklungsverzögerung mit einer erheblichen muskulären Hypotonie, einem Mikrocephalus mit Gesichtsskoliose, einem Übergewichtsleiden sowie einer beidseitigen Hüftdysplasie.
Ab August 2005 besuchte der Antragsteller zunächst den heilpädagogischen Kindergarten des Vereins für heilpädagogische Hilfe C2 e.V. in C (Niedersachsen). Die Kosten dieses Besuchs einschließlich der Fahrkosten zwischen Wohnung und Einrichtung übernahm der Antragsgegner bis zum Beginn der Schulpflicht (Bescheide vom 11.01.2005 und 16.08.2005). Der Kreis H hatte zuvor am 21.02.2005 festgestellt, dass im Kreisgebiet keine alternative Betreuung zur Verfügung gestellt werden könne. In einem Schreiben vom 22.11.2004, mit dem der Antrag auf Kostenübernahme zuständigkeitshalber an den Antragsgegner weitergeleitet worden war, hatte der Kreis ausgeführt, die Familie des Antragstellers wohne an der Landesgrenze zu Niedersachsen, so dass die heilpädagogische Einrichtung in C geographisch näher liege als die heilpädagogischen Einrichtungen im Kreis H (H und I-N).
Am 05.06.2008 (Schreiben vom 03.06.2008) beantragte der Antragsteller durch seine gesetzlichen Vertreter die Übernahme der Kosten für den Besuch der T-S-Schule C. Diese Schule steht ebenfalls in der Trägerschaft des Vereins für heilpädagogische Hilfe C2 e.V. Zur Begründung führte er aus, die wesentlich längere Anfahrt zur N1-Schule in H sei ihm nicht zumutbar. Zudem könne die erforderliche intensive physiotherapeutische Bewegungsförderung durch die ihm vertrauten Therapeuten in C sichergestellt werden. Dem Antrag war ein Bericht des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. X aus E vom 02.06.2008 beigefügt. Darin ist u.a. ausgeführt, aus kinderärztlicher Sicht biete die Beschulung in C wesentliche Vorteile. Die auf den Antragsteller individuell abgestimmten Fördermaßnahmen könnten dort ohne Unterbrechung fortgeführt und aufgrund der bestehenden Kommunikationsstruktur aller Beteiligten individuell angepasst werden. Des Weiteren sei er - Dr. X - davon überzeugt, dass die Beschulung in C für die psychosoziale Entwicklung des Antragstellers sehr bedeutsam sei. Der Antragsteller sei ein emotional labiles Kind, das sich in fremder Umgebung und bei fremden Personen schnell in sich zurückziehe, weine und sich nur nach längerem Kennenlernprozess öffne. Eine Beschulung in H würde die bisher gemachten Fortschritte gefährden. Zudem würden erhebliche Fahrtzeiten auf den Antragsteller zukommen, die durch eine wohnortnahe Beschulung vermeidbar seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht Bezug genommen.
In einem Schreiben des Antragstellers an das Schulamt für den Kreis H vom 04.03.2008 wurde u.a. ausgeführt, die Entfernung zur N1-Schule in H sei mit 30 km mehr als doppelt so groß wie diejenige zur T-S-Schule. Nach bisherigen Erfahrungen beanspruche eine Wegstrecke nach H etwa anderthalb Stunden. Eine Zustimmung für die T-S-Schule würde bedeuten: einen kürzeren Anfahrtsweg mit bekannten Fahrzeugen und Fah...