Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz bei Bewilligung gekürzter Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann dem Hilfebedürftigen das Recht abgesprochen werden, zur Existenzsicherung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Das ist dann der Fall, wenn der Hilfebedürftige nicht zuvor die ihm zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen.
2. Eilbedürftigkeit zur Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes ist generell nicht bereits dann auszuschließen, wenn nur ein bestimmter Anteil des Regelsatzes zur Verfügung steht. Die Leistungen des SGB 2 sind so knapp ausgestaltet, dass es im Hinblick auf die lange Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar erscheint, über diesen längeren Zeitraum nur einen regelmäßig abgesenkten Leistungssatz zuzubilligen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2009 geändert und den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K aus F bewilligt.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragstellerin zu 1) erhält ergänzend zum Arbeitslosengeld I Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); diese wurden zuletzt durch Bescheid vom 05.03.2009 für die Zeit vom 01.03. bis zum 31.08.2009 auf 280,65 EUR monatlich festgesetzt. Mit einer Veränderungsmitteilung vom 06.05.2009 informierte die Antragstellerin den Antragsgegner darüber, dass ab dem 01.05.2009 ihr Lebensgefährte, der Antragsteller zu 2), in ihren Haushalt eingezogen sei. Beide Antragsteller erklärten, der Antragsteller übe eine selbstständige Tätigkeit aus, erziele hieraus jedoch keine Einkünfte. Unter dem 08.05.2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, die Leistungen würden ab dem 01.06.2009 vorläufig storniert. Es werde um Mitteilung gebeten, ob das Gewerbe weiterhin ausgeübt werde und aus welchem Grund keine Einkünfte erzielt würden. Gleichzeitig forderte er die Kontoauszüge des Antragstellers der letzten drei Monate und die Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse unter Angabe der Rentenversicherungsnummer an.
Mit Schreiben vom 14.05.2009 erhob die Antragstellerin Widerspruch. Dem Widerspruch beigefügt war eine Erklärung des Antragstellers, er übe das Gewerbe weiterhin aus, erziele aber wegen der schlechten Auftragslage keinerlei Einkünfte. Bei einer Vorsprache wenige Tage später erklärte er, er werde die selbstständige Tätigkeit als Hausmeister nur noch auf nebenberuflicher Basis ausüben. Einen Tag später machte er geltend, es sei nicht abzusehen, ob aus dieser Tätigkeit in Zukunft überhaupt noch Gewinne zu erzielen seien.
Durch Änderungsbescheid von 27.05.2009 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern ab dem 01.05.2009 Leistungen in Höhe von monatlich 615,65 EUR. Dabei berücksichtigte er jeweils 90% der Regelleistung für die Antragsteller. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 09.06.2009 wandten die Antragsteller ein, ihnen stehe jeweils der ungekürzte Regelsatz zu, da es sich bei ihnen nicht um eine Bedarfsgemeinschaft handele. Gleichzeitig setzten sie dem Antragsgegner eine Frist bis zum 26.06.2009 und kündigten für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs im Eilverfahren an.
Am 29.6.2009 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt und beantragt,
1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen unbefristet ab Eingang des Antrages bei Gericht bis zum 31.12.2009 (über die im angegriffenen Bescheid bereits bewilligten Leistungen hinaus) jeweils 100 % der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung zu gewähren,
2. hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) die Vollziehung des angefochtenen Bescheides (vom 27.05.2009) gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.
Gleichzeitig haben sie beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K zu bewilligen.
Durch Bescheide vom 01.07.2009 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 31.08.2009 Leistungen jeweils in voller Höhe. Daraufhin erklärten die Antragsteller das Eilverfahren für erledigt.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 13.07.2009 abgelehnt. Die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz hätten keine hinreichende Erfolgsaussicht gehabt, ihnen habe es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis gefehlt: Durch die angefochtenen Änderungsbescheide seien der Antragstellerin jeweils höhere Leistungen zuerkannt worden, als ihr bereits vorher bewilligt worden seien, für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei deshalb kein Raum. Auch der auf die Auszahlung der Regelleistung vorläufig in voller Höhe gerichtete Antrag sei unzulässig gewesen, da die Antragsteller dem Antragsge...