Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts

 

Orientierungssatz

1. Begehrt der Kläger die Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft und die Zuerkennung eines Merkzeichens, so trifft ihn zur Einholung aktueller ärztlicher Befunde und eines gfs. erforderlichen Gutachtens eine Mitwirkungspflicht. Die Beweislast trifft den Kläger. Kommt er seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so verbleibt dem Gericht nur eine Entscheidung nach Aktenlage.

2. Benennt der Kläger weder seine behandelnden Ärzte noch befreit er diese von ihrer Schweigepflicht, so verstößt das Gericht nicht gegen seine Pflicht aus § 103 SGG zur Sachaufklärung, wenn es keine weiteren Ermittlungen anstellt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.05.2017; Aktenzeichen B 9 SB 30/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1946 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG).

Bei dem Kläger war zuletzt mit Bescheid vom 05.10.2001 ein GdB von 40 wegen Störungen der Wirbelsäule wegen Spondylose und Listhese (Einzel-GdB 30), Narben am linken Bein nach Oberschenkel- und Kniescheibenfraktur, Belastungsbeschwerden am linken Bein, Narben am linken Unterarm (Einzel-GdB 20) und eines psycho-vegetativen Syndroms, Migräne und hypotonen Kreislaufregulationsstörungen (Einzel-GdB 10) festgestellt worden.

Am 05.06.2015 ging bei dem Beklagten ein Änderungsantrag des Klägers auf dem hierfür vorgesehenen Formular ein. Der Kläger gibt insofern an, er habe bereits am 27.03.2015 telefonisch und am 14.04.2015 schriftlich einen Antrag gestellt. Mit dem Änderungsantrag beantragte er ua die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG sowie "Hilflosigkeit" (H) rückwirkend ab 1984 aus steuerlichen Gründen. Dem Antrag war ein Befundbericht der Radiologischen Praxis MVZ S L, Kopien der durch diese gefertigten Aufnahmen, ein Arztbrief des P team L-I sowie Unterlagen der Techniker Krankenkasse hinsichtlich einer Zweitmeinung bei Wirbelsäulenoperationen beigefügt. Im Folgenden übersandte der Kläger noch einen Bericht des Radiologen Dr. T.

Der Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. Q vom 16.10.2015 ein.

Mit Bescheid vom 15.12.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers und ein höherer GdB könnten nicht festgestellt werden. Aus diesem Grunde lägen die Voraussetzungen für den begehrten Nachteilsausgleich ebenfalls nicht vor.

Am 22.12.2015 hat der Kläger Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass seine Gehbehinderung wesentlich schlimmer geworden sei. Er leide unter einer eindeutig erkennbare Verschiebung seiner Wirbelkörper und deutlichen Verschleißerscheinungen in den Kniegelenken. Er müsse deshalb Schmerzmittel einnehmen. Eine Operation seiner Wirbelsäule habe er aufgrund der Empfehlung seines früheren Hausarztes zurückgestellt.

Nachdem in der Folgezeit die seitens des Beklagten beabsichtigte Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie T aus C nicht zustande gekommen war, holte der Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. G vom 20.01.2016 ein. Dieser vertrat die Auffassung, dass sich aus den in der Akte vorgelegten Befunden kein direkter Hinweis auf das Ausmaß des Gehvermögens ergebe. Jedoch könne bei erfolgter Durchführung eines Belastungs-EKGs in halbsitzender Position auf dem Fahrradergometer und einer dabei durch Pedale-Treten erbrachten Leistung von 100 Watt keine Gehbehinderung von einem solchen Ausmaß angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG vorliegen könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2016 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 09.02.2016 Klage beim Sozialgericht Köln (SG) erhoben und vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei sachlich völlig falsch und könne nur als menschenverachtend und zynisch eingestuft werden. Seine behandelnden Ärzte hätten eine sofortige Operation an der Wirbelsäule für erforderlich gehalten. Die Stellungnahme von Dr. G sei völlig unsubstantiiert. Darüber hinaus hat sich der Kläger auf im Wesentlichen unsachliche und polemische Ausführungen beschränkt. Im Folgenden hat er ausgeführt, er sehe angesichts der dem SG vorliegenden Unterlagen und ärztlichen Befunde keinerlei Veranlassung, sich gutachterlich untersuchen zu lassen. Die durch das SG übersandten Fragebogen über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen sowie die Schweigepflichtentbindungserklärung hat er nicht zurückgesandt.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.10.2016 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid entspreche nac...

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