Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. GmbH-Geschäftsführer. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit. Ehegatte eines Unternehmers. mitarbeitender Familienangehöriger. Weisungsrecht. Beteiligung am Stammkapital. Typische Bestandteile eines Arbeitsvertrags. Steuerliche Behandlung. Unternehmerrisiko. Darlehen. Schutzbedürftigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer einer GmbH ist entscheidend auf dessen Weisungsgebundenheit, Eingliederung in den Betrieb, Gestaltung der Arbeitszeit, Unternehmerrisiko und das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte abzustellen.

2. Ist der Geschäftsführer am Gesellschaftskapital nicht beteiligt, unterliegt er dem Weisungsrecht der Gesellschafter und kann er nach dem abgeschlossenen Dienstvertrag über seine Arbeitskraft und seine Arbeitszeit nicht frei verfügen, so sprechen solche Umstände nachhaltig für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

3. Maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko eines Selbständigen ist, ob eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird. Eine Darlehensgewährung ist zwar eine für Arbeitnehmer nicht typische Übernahme von Risiken. Als Darlehensgeber erwirbt der Geschäftsführer aber lediglich die gleiche Position wie ein externer Finanzgeber, ohne weiteren Einfluss auf die Firmengeschicke zu erreichen.

4. Der Ehegatte eines Unternehmers wird nicht selbst zum Unternehmer, nur weil er mittelbar auf dem Weg über eheliche Unterhalts- und Ausgleichsansprüche vom Unternehmenserfolg profitiert.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1; GmbHG § 37 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.06.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Sozialversicherungspflicht des Klägers als Geschäftsführer einer GmbH.

Der 1961 geborene Kläger ist ausgebildeter Landwirt und hat danach ein Studium der Agrarwissenschaften absolviert Er trat am 01.07.1990 als Verkaufsleiter Agrar (kaufmännischer Angestellter) in die Dienste der Firma C GmbH. Gesellschafter der GmbH waren die heutige Ehefrau des Klägers, V Q, zu 35 % und ihr Bruder, der Zeuge Dr. X zu 65 %.1996 heiratete der Kläger seine Ehefrau.

Am 17.12.1998 wurde dem Kläger Einzelprokura erteilt, am 23.01.2001 wurde er zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. Am 30.01.2001 unterzeichnete der Kläger einen Dienstvertrag mit der C GmbH, vertreten durch den Mehrheitsgesellschafter den Zeugen Dr. X. Darin wurde dem Kläger ein Alleinvertretungsrecht für die Gesellschaft eingeräumt unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (Verbotes des Insichgeschäfts). Der Vertrag war unbefristet und sah eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende, einen Urlaubsanspruch, eine monatliche Vergütung von 5016 EUR, eine dreimonatige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie eine Tantieme von 20 % des Jahresüberschusses nach Steuern der Sparte Agrar vor. Die GmbH verbuchte die monatlichen Zahlungen als Lohn/Gehalt und führte darauf Lohnsteuern ab. Innerbetrieblich wurden die Zahlungen als Betriebsausgabe verbucht. In der Folgezeit meldete die C GmbH den Kläger zur Sozialversicherung an und entrichtete die fälligen Abgaben zur Arbeitslosen-und Rentenversicherung.

Unter dem Datum 06.09.2006 beantragte der Kläger die Erstattung der für ihn entrichteten Sozialbeiträge in voller Höhe für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 31.10.2006 weil insoweit keine Versicherungspflicht bestanden habe.

Mit Schreiben vom 15.11.2006 erläuterten der Kläger und die Gesellschafter der GmbH, der Kläger sei das einzige Familienmitglied, das über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse in der von ihm geleiteten Division (Geschäftsbereich) Agrar verfüge. Die operative Geschäftsleitung des Unternehmens werde spätestens seit der Berufung des Klägers zum weiteren Geschäftsführer ausschließlich durch ihn und den Mehrheitsgesellschafter gebildet. Sie träfen die operativen und strategischen Entscheidungen gemeinsam und stets einstimmig. Der Kläger trage auch in unternehmerisches Risiko, weil er mit der Gesellschafterin V Q verheiratet sei und dem Unternehmen persönlich ein Darlehen über 60.000 EUR gewährt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.01.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab und stellte fest, nach der Gesamtwürdigung des Einzelfalls sei der Kläger als abhängig Beschäftigter zu betrachten. So führe die GmbH für sein monatliches Arbeitsentgelt Lohnsteuer ab und buche die Zahlung als Betriebsausgabe. Der Kläger erhalte bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ohne seine Arbeitsleistung wäre die GmbH veranlasst, eine fremde Arbeitskraft einzustellen. Ein wirtschaftliches Risiko trage der Kläger nicht, weil er ein regelmäßiges Gehalt beziehe und am Stammkapital der Gesellschaft nicht beteiligt sei.

Den dagegen erhobe...

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