Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Gesamtvergütung gegenüber der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Die Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Gesamtvergütung gegenüber der Krankenkasse nach §§ 85 Abs. 1, 83, 82 Abs. 2 SGB 5 i. V. m. den Regelungen des Gesamtvertrags setzt dessen Entstehung, Fälligkeit, zutreffende Höhe und fehlende Verjährung voraus.
2. Haben die Vertragspartner vereinbart, dass die Erteilung der Schlussrechnung konstitutiv für die Fälligkeit der Forderung sein soll, so bestimmt die Kassenärztliche Vereinigung damit zugleich den Ablauf der maßgeblichen Verjährungsfrist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. September 2018 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 47.258,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. September 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 58.419,27 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die beklagte Krankenkasse (KK) (auch als sogenannte Erstreckungskrankenkasse für den Rechtskreis B.) Anspruch auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung bzw. Erstattung überzahlter Gesamtvergütung für die Jahre 2006 bis 2008 haben.
Grundlage der geltend gemachten Forderung ist der zwischen der Klägerin und dem Landesverband der BKK (BKK) H. (H.), dessen Rechtsnachfolger der beigeladene BKK Landesverband G. ist, geschlossene Gesamtvertrag-Ärzte vom 1. März 1983 (GV 1983). Dieser entfaltet gemäß §§ 83 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unmittelbare Wirkung für die Beklagte (VKNR N05), die BKK W. (VKNR N06), die U. BKK (VKNR N07), die I. BKK (VKNR N08), die BKK P. (VKNR N09) und die U. BKK/B. (VKNR N10), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte jeweils ist. Innerhalb des GV 1983 ist auszugsweise Folgendes geregelt:
"§ 1 Gegenstand des Vertrages
1. Dieser Vertrag regelt die kassenärztliche Versorgung (§ 368 Abs. 2 RVO), in E., die den Berechtigten gegenüber den Krankenkassen nach Gesetz, Satzung und versicherungsrechtlichen Abkommen zusteht. [...].
§ 2 Anlagen des Vertrages
Folgende Anlagen sind Bestandteil dieses Vertrages:
- Anlage 1 Berechnung der Gesamtvergütung
- (Anlagen 2-17)
[...]
§ 23 Rechnungslegung
1. [...]
2. Die Erklärungen nach Abs. 1 bewahrt die KVWL 2 Jahre auf.
3. [...]
4. Die Krankenkassen können die Erklärungen nach Abs. 1 bei der zuständigen Verwaltungsstelle der KVWL einsehen.
5. [...]
6. Die Abrechnung von Leistungen ist nach Ablauf eines Jahres - vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, indem sie erbracht worden sind - ausgeschlossen. Dies gilt nicht für Verzögerungen, die durch eine Rechnungslegung gegenüber einer unzuständigen Krankenkasse entstanden sind. In sonstigen Ausnahmefällen sollen sich die Vertragspartner mit dem Ziel einer gütlichen Regelung verständigen.
[...]
12. Jede Krankenkasse erhält die geprüften und ggf. berichtigten Abrechnungen bis zum 15. des 4. Kalendermonats nach Ablauf des betreffenden Kalendervierteljahres.
13. Einzelheiten zur Rechnungslegung ergeben sich aus der Anlage 8 dieses Gesamtvertrages.
14. Bestehen zu Abrechnungsfragen unterschiedliche Auffassungen, so werden die Vertragspartner eine gütliche Regelung anstreben. [...]
§ 25 Zahlung der Gesamtvergütung
1. Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar 10 Tage nach Eingang der Mantelrechnung, fällig. Die Krankenkassen leisten monatliche Abschlagszahlungen von je 32 v. H. der Gesamtvergütung des entsprechenden Vorjahresquartals. Die Abschlagszahlungen werden bis zum 15. des folgenden Monats bewirkt.
2. Überzahlungen werden als Vorauszahlungen für das folgende Vierteljahr angerechnet. Berichtigungen, die sich bei der Prüfung der Abrechnungen auf rechnerische und Gebühren ordnungsmäßige Richtigkeit ergeben, sind innerhalb von 2 Jahren nach Eingang der Abrechnungsunterlagen von der jeweiligen Krankenkasse geltend zu machen und grundsätzlich innerhalb von 6 Monaten von der KVWL zu bescheiden. Forderungen aus Berichtigungsanträgen können nur nach Anerkennung durch die KVWL der nächsten Zahl verrechnet werden. [...]
§ 26 Gültigkeit des Gesamtvertrages
1. Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum 1. Januar 1983 an die Stelle des bisherigen Rahmengesamtvertrages.
2. Der Gesamtvertrag kann mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden.
3. Jede Anlage kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Die Kündigung einer Anlage berührt die Geltung dieses ...