Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwicklung rückständiger Gesamtvergütung der Krankenkasse gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 85 Abs. 1 S. 1 SGB 5 entrichtet die Krankenkasse nach Maßgabe des Gesamtvertrags an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der KV einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

2. Der Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung verjährt entsprechend § 45 Abs. 1 SGB 1 vier Jahre nach Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist, d. h. mit Eintritt der Fälligkeit. Die Vertragsparteien können zur Fälligkeit eine Fälligkeitsvereinbarung bezüglich der quartalsweisen Abrechnung treffen.

3. Der Beginn der Verjährungsfrist bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB.

4. Haben die Vertragsparteien vereinbart, dass die Erteilung der Schlussrechnung konstitutiv für die Fälligkeit der Forderung sein soll und darauf verzichtet, eine Frist für die Schlussrechnung zu vereinbaren, dann liegt in einer Rechnungstellung, die später als üblich erfolgt, kein Verwirkungsverhalten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.11.2021; Aktenzeichen B 6 KA 8/21 B)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. September 2018 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 107.628,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KV) gegen die beklagte Krankenkasse (KK) in Abwicklung Anspruch auf Zahlung rückständiger Gesamtvergütung für die Jahre 2005 und 2006 hat.

Grundlage der geltend gemachten Forderung ist der zwischen der Klägerin und dem Landesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) Nordrhein-Westfalen (NRW), dessen Rechtsnachfolger der beigeladene BKK Landesverband NORDWEST ist, geschlossene Gesamtvertrag-Ärzte vom 1. März 1983 (GV 1983). Dieser entfaltet gemäß §§ 83 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unmittelbare Wirkung für die sich zwischenzeitlich in Abwicklung befindliche (einstrahlende) D BKK (VKNR 02418, 6149 und 99415) und D-BKK/Ost (VKNR 99558) mit gesetzlichem Versorgungsauftrag bis zum 30. Juni 2011, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Innerhalb des GV 1983 ist auszugsweise folgendes geregelt:

"§ 1 Gegenstand des Vertrages

1. Dieser Vertrag regelt die kassenärztliche Versorgung (§ 368 Abs. 2 RVO), in Westfalen-Lippe, die den Berechtigten gegenüber den Krankenkassen nach Gesetz, Satzung und versicherungsrechtlichen Abkommen zusteht. [...].

§ 2 Anlagen des Vertrages

Folgende Anlagen sind Bestandteil dieses Vertrages:

- Anlage 1 Berechnung der Gesamtvergütung

- (Anlagen 2-17)

[...]

§ 23 Rechnungslegung

1. [...]

2. Die Erklärungen nach Abs. 1 bewahrt die KVWL 2 Jahre auf.

3. [...]

4. Die Krankenkassen können die Erklärungen nach Abs. 1 bei der zuständigen Verwaltungsstelle der KVWL einsehen.

5. [...]

6. Die Abrechnung von Leistungen ist nach Ablauf eines Jahres - vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, indem sie erbracht worden sind - ausgeschlossen. Dies gilt nicht für Verzögerungen, die durch eine Rechnungslegung gegenüber einer unzuständigen Krankenkasse entstanden sind. In sonstigen Ausnahmefällen sollen sich die Vertragspartner mit dem Ziel einer gütlichen Regelung verständigen.

7. -9. [...]

10. Jede Krankenkasse erhält die geprüften und ggf. berichtigten Abrechnungen bis zum 15. des 4. Kalendermonats nach Ablauf des betreffenden Kalendervierteljahres.

11. Einzelheiten zur Rechnungslegung ergeben sich aus der Anlage 8 dieses Gesamtvertrages.

12. Bestehen zu Abrechnungsfragen unterschiedliche Auffassungen, so werden die Vertragspartner eine gütliche Regelung anstreben. [...]

§ 25 Zahlung der Gesamtvergütung

1. Die Gesamtvergütung wird vierteljährlich, und zwar 10 Tage nach Eingang der Mantelrechnung, fällig. Die Krankenkassen leisten monatliche Abschlagszahlungen von je 32 v. H. der Gesamtvergütung des entsprechenden Vorjahresquartals. Die Abschlagszahlungen werden bis zum 15. des folgenden Monats bewirkt.

2. Überzahlungen werden als Vorauszahlungen für das folgende Vierteljahr angerechnet. Berichtigungen, die sich bei der Prüfung der Abrechnungen auf rechnerische und gebührenordnungsmäßige Richtigkeit ergeben, sind innerhalb von 2 Jahren nach Eingang der Abrechnungsunterlagen von der jeweiligen Krankenkasse geltend zu machen und grundsätzlich innerhalb von 6 Monaten von der KVWL zu bescheiden. Forderungen aus Berichtigungsanträgen können nur nach Anerkennung durch die KVWL der nächsten Zahlung verrechnet werden. [...]

§ 26 Gültigkeit des Gesamtvertrages

1. Dieser Vertrag tritt mit Wirkung zum 1.1.1983 an die Stelle des bisherigen Rahmengesamtvertrages.

2. Der Gesamtvertrag kann mit einer Frist von 6...

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