Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Ghetto-Beschäftigung als Beitragszeit nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Ghetto Schaulen/Litauen. Abgrenzung zur Zwangsarbeit
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto iS von § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 ( BGBl I 2002, 2074 ) (hier: Beschäftigung im Ghetto Schaulen/Litauen in der Zeit von September 1941 bis September 1942).
2. Bei der Beurteilung eines von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmtem Beschäftigungsverhältnis, das grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt und der Abgrenzung zu einer nichtversicherungspflichtigen Zwangsarbeit ist das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit maßgebend (vgl BSG vom 14.7.1999 - B 13 RJ 61/98 R = SozR 3-5070 § 14 Nr 2 und BSG vom 7.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R = BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1).
3. Zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ghetto Schaulen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die Klägerin ist Witwe des Herrn D L. Der am 00.00.1915 in L1, Litauen, geborene L war Jude. Nach Angaben der Klägerin gehörte er dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) nicht an. In der Zeit von September 1941 bis Sommer 1944 hielt sich L in Schaulen, Litauen auf. Am 20.08.1946 heiratete er die Klägerin. Im Mai 1972 wanderte L aus der Sowjetunion nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit. Am 18.01.1999 verstarb er.
Im Mai 1993 beantragte L bei der Claims Conference Leistungen nach dem Art. 2 Fund. Er gab an, dass er sich bei Beginn der Verfolgung in L1, Litauen, und in der Zeit vom 14.09.1941 bis Ende Sommer 1944 im Ghetto Schaulen/ Traky aufgehalten habe. Ab Ende Sommer 1944 habe er bis zum Kriegsende versteckt in den Wäldern in der Umgebung von Schaulen gelebt. Er erhielt Leistungen aus dem Art. 2 Fund.
Im März 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Sie gab an, dass ihr Ehemann im Ghetto Schaulen in der Zeit vom 14.09.1941 bis Sommer 1944 als Arbeiter in einem Ziegelbetrieb und bei der Torfgewinnung, als Mützenmacher und Schornsteinfeger gearbeitet habe. Im Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG vom 18.06.2003 erklärte die Klägerin, dass ihr Ehemann außerhalb des Ghettos auf dem Flughafen, innerhalb des Ghettos in einer Werkstatt sowie bei der Torfgewinnung außerhalb des Ghettos Traku /Schaulen gearbeitet habe. Auf dem Weg zur Arbeit am Flugplatz sei er "durch litauischen Schutz" bewacht worden, bei der Arbeit in der Werkstatt sei er nicht bewacht worden. Ihr Ehemann habe freiwillig gearbeitet. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Arbeitsamtes zustande gekommen. Auf dem Flugplatz sei er als Bauarbeiter eingesetzt gewesen. In der Werkstatt habe ihr Mann Uniformen repariert. Bei der Torfgewinnung habe er Moor ausgegraben.
Er habe 10 bis 12 Stunden täglich gearbeitet. Er habe keinen Barlohn, sondern als Arbeiter besondere Verpflegung am Arbeitsort und Gutscheine (oder Lebensmittelkarten) für den Einkauf weiterer Lebensmittel erhalten. Im Rentenantrag vom 18.06.2003 trug die Klägerin ein, dass ihr Ehemann von 1935 bis zum 22.06.1941 als Besitzer einer Hutwerkstatt (Mützenmacher) in L1 tätig und im Ghetto Schaulen von September 1941 bis März 1942 als Bauarbeiter auf dem Flugplatz beschäftigt gewesen sei, anschließend in der Zeit von März 1942 bis März 1943 in einer Werkstatt im Ghetto Uniformen repariert habe und von März 1943 bis Sommer 1944 als Torfarbeiter eingesetzt gewesen sei. Die Arbeitszeit habe bei den drei Einsatzorten 10 bis 12 Stunden täglich bzw. 10 Stunden betragen. Ihr Ehemann habe Verpflegung am Arbeitsort sowie zusätzlich als Arbeitender Lebensmittelkarten für den Einkauf weiterer Lebensmittel erhalten. Sie reichte die Kopie einer Bescheinigung Nr. 462 aus September 1941 zu den Akten, in der bescheinigt wird, dass der Jude D L, 26 Jahre alt, von Beruf Mützenmacher, im Ghetto Traku in der Straße A Nr. 18 wohnt. Durch Bescheid vom 20.08.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Angaben der Klägerin reichten zur Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen im Sinne des ZRGB nicht aus. Die behauptete Arbeitszeit von 1935 bis 22.06.1941 könne nicht anerkannt werden, weil der Ehemann der Klägerin eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Ersatzzeiten könnten aufgrund fehlender Versicherteneigenschaft ebenfalls nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass ihr Ehemann n...